Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2007-987890
Kleinwuchs, Diabetes und Schwerhörigkeit als Frühzeichen einer Mitochondriopathie mit großer Variabilität des Krankheitsverlaufs
Ziel: Charakterisierung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede des klinischen Verlaufs einer Mitochondriopathie mit der Mutation 3243A>G des mitochondrialen tRNA (Leu, UUR)-Gens.
Methode: Klinische Verlaufsbeschreibung bei zwei nicht verwandten Patienten mit der 3242A>G mtDNA-Mutation.
Ergebnis: Beide Patienten haben Kleinwuchs und Schwerhörigkeit seit der 3. Lebensdekade als Erstmanifestation, gefolgt von insulinabhängigem Diabetes mellitus ab dem 30. Lebensjahr. Der 43-jährige männliche Patient wird vorgestellt zur Abklärung unklarer Muskelschmerzen. Er hat neben den Myalgien auch eine beginnende chronisch progrediente externe Ophthalmoplegie (CPEO). Die 47-jährige Patientin wird vorgestellt zur Beurteilung kognitiver Veränderungen nach zwei Episoden kompletten AV-Blocks. Die Patientin ist wegen der höhergradigen Schwerhörigkeit und des Diabetes bereits seit 10 Jahren berentet. Sie hat frontal-exekutiv betonte kognitive Defizite, eine ausgeprägte auditive Wahrnehmungsstörung und Episoden akuter Verhaltensauffälligkeiten vereinbar mit Stroke-like episodes sowie einen episodischen AV-Block III. Grades, der schrittmacherpflichtig wird. In beiden Fällen wird die Diagnose einer Mitochondriopathie durch eine Muskelbiopsie bestätigt, die zahlreiche Ragged Red Fasern aufweist. Molekulargenetisch ist bei beiden Patienten die Mutation 3243A>G der mtDNA in Heteroplasmie nachweisbar.
Schlussfolgerung: Die Mutation 3243A>G ist die häufigste zum Diabetes führende mitochondriale Mutation. Im Gegensatz zu anderen genetisch determinierten Diabetesformen erfolgt die Transmission ausschließlich maternal. Die Häufigkeit des mitochondrialen Diabetes wird in manchen Populationen bis auf 1,3% geschätzt, sowohl Typ I als auch Typ II Diabetes sind möglich. Maternal vererbter Diabetes mellitus ohne Übergewicht gekoppelt mit Schwerhörigkeit mit Beginn im frühen Erwachsenenalter sollten an eine Mitochondriopathie denken lassen. Die übrigen klassischen mitochondrialen Symptome folgen oft mit erheblichem zeitlichen Abstand. Sie können das Spektrum klassischer mitochondrialer Organbeteiligung beinhalten – periphere Manifestationsformen wie Myopathie, CPEO, kardiale Reizleitungsstörungen bis zu ZNS-Beteiligung mit kognitiven Einschränkungen und Stroke-like episodes. Es ist nicht geklärt, ob die Variabilität des Organbefalls ausschließlich im individuell organspezifisch unterschiedlichen Heteroplasmiegrad begründet ist oder von modifizierenden genetischen Kofaktoren mitbestimmt wird.