Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P524
DOI: 10.1055/s-2007-987795

Modulation frequenzabhängiger H-Reflex-Depression bei Spastizität an der unteren Extremität

T Winkler 1, J Szecsi 1, P Krause 1, A Straube 1
  • 1München

Fragestellung: Bei H-Reflex-Untersuchungen an gesunden Menschen tritt mit einer Verkleinerung der Interstimuluslatenz unter 10 Sekunden regelmäßig eine progrediente Depression der erzielten peak-to-peak-Amplitude auf (Homosynaptische Depression=HSD). Neuere Studien belegen eine geringere Ausprägung der HSD bei unterschiedlichen Spastiksyndromen. Die Anwendung dieser frequenzmodulierten H-Reflex-Untersuchungen zur Messung von Spastik wurde mehrfach diskutiert. Das Ziel dieser Studie ist es, die Möglichkeit einer solchen Evaluierung von Spastizität an der unteren Extremität bei unterschiedlichen Läsionen des ersten Motoneurons zu prüfen.

Methoden: Erste Versuche im Rahmen einer Pilotstudie wurden an drei Gruppen durchgeführt: (1) Neurologisch gesunde Probanden (n=4), (2) Patienten mit spastischen unteren Extremitäten bei unterschiedlichen Läsionen des ersten Motoneurons (n=4) und (3) komplett paraplegische Patienten ohne klinisch signifikante Spastik (n=2). H-Reflexe des M. soleus wurden bei Stimulationsfrequenzen zwischen 0,1 und 2Hz abgeleitet und die HSD jeweils als Verhältnis zum Ausgangswert (0,1Hz) bestimmt. Bei Patienten (Gruppen 2 und 3) erfolgte eine erneute Bestimmung der HSD unmittelbar nach einer spastiksenkenden Intervention mit elektrostimuliertem Fahrradfahren (FES cycling; Stimulation der Oberschenkelmuskulatur). Die Ausprägung der Spastizität wurde jeweils klinisch (Modified Ashworth Scale=MAS) und maschinell (Pendeltest nach Bajd) evaluiert.

Ergebnisse: Die HSD zeigte sich deskriptiv wie erwartet in allen Frequenzbereichen vermindert bei Patienten (Gruppe 2 > Gruppe 3) gegenüber Gesunden. Nach Intervention mit FES kam es zu einem weiteren Rückgang der HSD (p<0,03), welcher deutlich größer bei Gruppe 3 ausgeprägt war. Bei Patienten mit einer messbaren Verbesserung der Spastik durch die Intervention trat keine Veränderung der HSD auf. Bei keiner Testperson wurde eine Erhöhung des Muskeltonus nach Intervention festgestellt.

Schlussfolgerungen: Eine Tonusminderung der Oberschenkelmuskulatur scheint nach unseren bisherigen Ergebnissen keine Auswirkung auf die HSD des M. soleus zu haben. Die postinterventionelle HSD-Abnahme bei Gruppe 3 weist jedoch auf das Auftreten einer intersegmentalen Modulation spinaler Hemmmechanismen hin. HSD-Bestimmung zur direkten Spastikbeurteilung erscheint damit zwar problembehaftet, stellt jedoch weiterhin ein vielversprechendes Instrument zur Beurteilung spinaler Plastizität und Modulation dar.