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DOI: 10.1055/s-2007-987770
Das klinische Spektrum der Neuromyelitis optica – Fallbericht und kritische Stellungnahme
Fallbericht: Wir berichten von einer 18-jährigen Patientin, bei der wir anhand klinischer, bildmorphologischer und laborchemischer Kriterien die Diagnose einer Neuromyelitis optica (NMO) stellten. Mittels indirekter Immunfluoreszenz konnte ein positiver NMO-IgG-Nachweis erbracht werden. Anamnestisch relevant ist die frühkindliche Manifestation einer akuten disseminierten Enzephalomyelitis (ADEM). Unter einer Behandlung mit 4 Zyklen Rituximab 375mg/m2 KOF wöchentlich war eine fast vollständige Rückbildung der langstreckigen Myelonläsion sowie eine deutliche Regredienz der klinischen Symptomatik zu verzeichnen.
Diskussion: Während die NMO initial als lokalisatorische Sonderform der Multiplen Sklerose (MS) verstanden wurde, verdichten sich nun immer mehr die Hinweise darauf, dass es sich hinsichtlich der Pathogenese um zwei grundsätzlich verschiedene Krankheitsbilder handelt. Dahingegen finden sich eindeutige Gemeinsamkeiten mit der Gruppe der disseminierten Enzephalomyelitiden (DEM), zu welchen neben der akuten monophasischen Variante (ADEM) auch multiphasische und rekurrierende Formen (MDEM, RDEM) zählen. Die DEM sind ebenso wie die NMO durch ein überwiegendes Fehlen einer lokalen Immunaktivierung im ZNS-Kompartiment bei oftmals höheren Zellzahlen mit neutrophilem Anteil, das Fehlen kernspintomographisch sichtbarer MS-typischer Läsionen sowie ein vergleichbares histopathologisches Muster gekennzeichnet, was einen ähnlichen Entstehungsmechanismus nahe legt.
Unsere Patientin erlitt bereits im Alter von 6 Monaten ein postvakzinales demyelinisierendes Ereignis, welches als ADEM gewertet wurde, bevor der Verlauf 15 Jahre später in den einer „klassischen“ NMO mündete. Dies ist Ausdruck der großen klinischen und zeitlichen Variabilität mit fließenden Übergängen zwischen den einzelnen Vertretern dieser Erkrankungsgruppe. Der zunehmend anerkannten Heterogenität der NMO wurde zumindest teilweise durch die kürzlich erfolgte Revision der Diagnosekriterien Rechnung getragen. Allerdings scheinen neben der NMO als Maximalvariante der optikospinalen Schwepunktmanifestation auch die isolierte rekurrierende ON und die rezidivierende progressive nekrotisierende Myelopathie als Abortivformen in dasselbe Krankheitsspektrum zu fallen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Einführung einer Klassifikation sinnvoll, welche der gemeinsamen Pathogenese der Erkrankungen der DEM-Gruppe in Abgrenzung zur MS sowie den daraus resultierenden therapeutischen Implikationen Rechnung trägt.