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DOI: 10.1055/s-2007-987736
„Undermentalizing“ als zugrundliegender Mechanismus der Theory-of-Mind-Störung bei Personen mit Asperger-Syndrom? Hinweise durch qualitative Fehleranalysen eines videobasierten ToM-Tests
Einleitung: Unter Theory of Mind (ToM) versteht man die Fähigkeit, sich in die geistigen Zustände, d.h. Gedanken, Emotionen und Absichten anderer Menschen hineinversetzen zu können, um deren Verhalten zu interpretieren und vorherzusagen. ToM-Dysfunktionen stellen ein Kerndefizit bei Personen mit Asperger-Syndrom (AS) dar, das zu den Autismusstörungen gezählt wird. Bisherige ToM-Tests mit einem vorrangig dichotomen Antwortformat (richtig/falsch) erlauben nur Aussagen über Vorliegen und Ausmaß einer ToM-Störung. Qualitative Fehleranalysen könnten jedoch Aufschluss darüber geben, ob, wie von Frith (2004) angenommen, bei AS-Probanden eher „under-mentalizing“ („zu wenig ToM“) und bei Patienten mit Schizophrenie eher „over-mentalizing“ den zugrunde liegenden Mechanismus einer ToM-Dysfunktion darstellt. In der vorliegenden Studie wurde eine quantitative und qualitative Fehleranalyse von ToM-Störungen bei AS-Probanden mit dem videobasierten „MASC“-Test vorgenommen.
Methode: Untersucht wurden Personen mit AS (n=24, mittleres Alter=25,25, SD=6,2) und eine nach Alter und Intelligenz vergleichbare Kontrollgruppe (KG, n=26, Alter=23,92, SD=3,6). Angewendet wurde der MASC, ein bei Menschen mit AS sensitives videobasiertes Instrument zur Erfassung von ToM-Dysfunktionen (Dziobek et al., 2006). Der 15-minütige Film, der mehrere Personen in komplexen sozialen Interaktionen zeigt, wird mehrmals unterbrochen, und die mentalen Zustände der agierenden Personen werden erfragt. Die Fehler lassen sich klassifizieren nach „übertrieben“, „zu wenig“ und „kein ToM“.
Ergebnisse: Die AS-Gruppe wies im Vergleich zur KG signifikante Minderleistungen im MASC auf (max. 46 Punkte, AS: 25,5 (7,5), KG: 33,2 (4,2), p<0,001). Im Gruppenvergleich zeigten sich signifikante Unterschiede in der Art der Fehler: Während die KG mehr „übertriebene Fehler“ machte (KG zu AS: 58% zu 40%; p=0,004), wiesen AS-Probanden signifikant mehr Fehler in der Kategorie „zu wenig ToM“ auf (AS zu KG: 40% zu 25%; p=0,003).
Diskussion: Der videobasierte MASC stellt ein sensitives Instrument zur Erfassung von ToM-Dysfunktionen bei Personen mit AS dar. Die qualitative Fehlerauswertung stützt die Hypothese des „under-mentalizing“ bei dieser Personengruppe. Es ist anzunehmen, dass sich Minderleistungen in Mentalisierungsaufgaben, aber auch die qualitative Beeinträchtigung in der sozialen Interaktion bei Personen mit AS, auf ein „zu wenig“ an ToM zurückführen lassen.