Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P463
DOI: 10.1055/s-2007-987734

Reorganisation kognitiver Störungen nach cerebellären Schlaganfällen

M Frings 1, D Pierscianek 1, U Bultmann 1, N Fritsche 1, ER Gizewski 1, D Timmann-Braun 1, M Maschke 1
  • 1Essen, Trier

Fragestellung: Im letzten Jahrzehnt wurde zunehmend eine mögliche Bedeutung des Kleinhirns für kognitive Aufgaben diskutiert. Unter anderem konnten in früheren Untersuchungen von Patienten mit Kleinhirninfarkten Störungen der Exekutivfunktionen nachgewiesen werden, die sich im Verlauf zum Teil wieder besserten. Zudem wurde in anatomischen Untersuchungen an Primaten gezeigt, dass reziproke Verbindungen des Kleinhirns zum dorsolateralen präfrontalen Kortex bestehen, dem eine wichtige Rolle bei Exekutivfunktionen zugeschrieben wird. Bisher wurde jedoch noch nicht untersucht, ob eine neuropsychologische Rehabilitationsbehandlung nach Infarkten des Kleinhirns sinnvoll und erfolgreich ist. Aufgrund der genannten Vorarbeiten lag es nahe, sich bei einer neuropsychologischen Therapie auf die Exekutivfunktionen zu konzentrieren.

Methoden: 12 Patienten mit akuten (<4 Wochen alten) Infarkten der A. cerebelli superior oder posterior inferior und gesunde Kontrollprobanden wurden gematcht nach Alter, Geschlecht, Händigkeit, Bildungsniveau und Musikalität untersucht. Eine Hälfte der Patienten erhielt über 2 Wochen eine standardisierte kognitive Therapie, die für Störungen von Exekutivfunktionen bei Patienten mit Frontalhirnläsionen entwickelt worden ist. Dabei wurden die kognitive Flexibilität, Arbeitsgedächtnisprozesse und die Handlungsplanung angesprochen. Vor, unmittelbar nach der Therapie und nach weiteren 3 Monaten erfolgte eine ausführliche neuropsychologische Testung. Die Lokalisation der Kleinhirnschädigung wurde mittels 3D-kranieller Kernspintomographie ermittelt.

Ergebnisse: In der initialen Untersuchung zeigte sich ein signifikanter Unterschied im Trail Making Test und im Wisconsin Card Sorting Test zwischen Patienten mit Kleinhirninfarkten und gesunden Kontrollprobanden als Hinweis auf eine gestörte kognitive Flexibilität und Planungsfähigkeit. Dieser Unterschied war bei den Kontrolluntersuchungen nicht mehr signifikant. Zudem konnte kein signifikanter Unterschied in der Rückbildung der Symptome zwischen den behandelten und unbehandelten Patienten nachgewiesen werden.

Schlussfolgerung: Störungen der Exekutivfunktionen nach Kleinhirnschädigungen treten möglicherweise nur in der Akutphase zutage. Die Effektivität der neuropsychologischen Behandlung sollte in einem größeren Patientenkollektiv untersucht werden.

(Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 01GA0508)