Guillain-Barré Syndrom und Miller Fisher Syndrom: Differenzierung mit multiplen A-Wellen des N. tibialis

Einleitung: In F-Wellenableitungen peripherer Nerven können späte Reizantworten auftreten mit einer hohen Konstanz an Latenz, Amplitude und Konfiguration. Diese sog. A-Wellen befinden sich zwischen M-Antwort und F-Welle oder auch nach der F-Welle. In vorangehenden Arbeiten konnte gezeigt werden, dass multiple A-Wellen (≥3 A-Wellen pro F-Wellenregistrierung) des N. tibialis die klinische Diagnose eines Guillain-Barré Syndroms (GBS) stützen (Kornhuber et al., Muscle & Nerve 1999 und Klin Neurophysiol 2006). Es ist bislang nicht bekannt, ob multiple A-Wellen auch beim Miller Fisher Syndrom (MFS) auftreten. Methoden: In der vorliegenden Studie wurden 48 F-Wellenableitungen des N. tibialis von 26 Patienten mit GBS und 21 Registrierungen von 14 Patienten mit MFS auf das Vorliegen von A-Wellen untersucht. Die Messungen erfolgten innerhalb von 2 Wochen nach Symptombeginn.

Ergebnisse: Beim GBS fanden sich 9,1±3,4 A-Wellen pro F-Wellenableitung (Mittelwert±Standardabweichung; 2 bis 16 A-Wellen pro Nerv; Abb.1B), beim MFS 0,8±0,9 A-Wellen (0 bis 2 A-Wellen pro Nerv; Abb.1A). Der Unterschied war statistisch signifikant (p<0,000001).

Diskussion: An- oder Abwesenheit von A-Wellen trägt zur raschen Unterscheidung der klinisch ähnlichen Krankheitsbilder GBS und MFS bei. Das Vorhandensein ist als zusätzlicher diagnostischer Parameter neben den anti-Gangliosid-AK anzusehen (z.B. GQ1b-Ak beim MFS). Unterschiede der Häufigkeit von A-Wellen bei MFS und GBS könnten mit dem jeweiligen Spektrum an Autoantikörpern zu tun haben. Alternativ ist es denkbar, dass beim GBS die meist stärker ausgeprägte Demyelinisierung zum Auftreten von A-Wellen prädisponiert.

Abbildung 1: F-Wellenregistrierung nach Stimulation des N. tibialis am Innenknöchel. A: MFS, B: GBS. Beachte die multiplen A-Wellen beim GBS. Beim MFS keine F-Wellen und auch keine A-Wellen.