Aktuelle Neurologie 2007; 34 - V53
DOI: 10.1055/s-2007-987463

Etablierung eines in vitro Blut-Hirn-Schranken-Modells als Bioassaysystem zur Abschätzung des Therapieerfolges bei der Multiplen Sklerose

J Kraus 1, K Voigt 1, AM Schuller 1, M Scholz 1, KS Kim 1, M Schilling 1, WR Schäbitz 1, G Ladurner 1, P Oschmann 1, B Engelhardt 1
  • 1Salzburg, A; Gießen, Frankfurt/Main; Baltimore, USA; Münster; Bayreuth; Bern, CH

Einleitung: Einer der zentralen pathogenetischen Schritte bei der Multiplen Sklerose (MS) ist eine Störung der Blut-Hirns-Schranke (BHS). Ausgangspunkt für die aktuelle Studie war der Nachweis eines direkten stabilisierenden Effekts von Interferon-ß (IFN-ß)auf die BHS mithilfe eines sehr aufwändigen in vitro-Modells. In der aktuellen Studie wurde das komplexe bovine Modell schrittweise modifiziert mit dem Ziel, einen humanen in vitro-Bioassay zu entwickeln, um den möglichen Therapieerfolg einer IFN-ß-Therapie für den einzelnen MS-Patienten zu beurteilen.

Methoden: Wir modifizierten das ursprüngliche in vitro BHS-Modell schrittweise und verwendeten dabei cerebrale Kapillarendothelzellen (CKEZ) aus vier unterschiedlichen Spezies. Es wurden sowohl primäre Rinder- und Schweine-CKEZ als auch humane und Mäusezelllinien untersucht. Dabei wurde der Einfluss von humanem rekombinanten IFN-ß auf die parazelluläre Permeabilität für 3H-Inulin und 14C Sucrose über bovine, humane und murine CKEZ getestet. Zudem wurde der transendotheliale elektrische Widerstand (TEER) in in vitro Systemen bestimmt, bei denen Schweine- und Mäuse-CKEZ verwendet wurden.

Ergebnisse: Es zeigte sich ein direkter stabilisierender Effekt auf die Schrankenfunktion nach Vorbehandlung mit IFN-ß in allen untersuchten in vitro BHS-Modellen: Die Zugabe von IFN-ß führte sowohl zu einer signifikanten Abnahme der parazellulären Permeabilität im humanen, bovinen und murinen Testsystem als auch zu einem signifikanten Anstieg des TEER nach IFN-ß-Vorbehandlung von Schweine- und Mäuse-CKEZ.

Schlussfolgerung: Wir fanden einen konsistenten, direkten stabilisierenden Effekt einer IFN-ß-Behandlung auf die Schrankenfunktion bei in vitro-BHS-Modellen von vier verschiedenen Spezies. Der stabilisierende Effekt auf die Schrankenfunktion war zudem unabhängig von der Verwendung primärer CKEZ oder von Zelllinien, so dass unsere Ergebnisse ein deutlicher Hinweis dafür sind, dass der direkte stabilisierende Effekt auf die BHS für den Therapieerfolg einer IFN-ß-Behandlung in der MS eine bisher unterschätzte Rolle spielt. Daher ist das von uns im Rahmen der aktuellen Studie entwickelte humane in vitro BHS-Modell ein vielversprechender Kandidat für die Entwicklung eines Bioassaysystems zur Abschätzung des möglichen Erfolges einer IFN-ß-Therapie bei der MS, zumal durch die Verwendung der humanen Zelllinie sowohl eine relativ einfache Verfügbarkeit als auch eine gute Standardisierbarkeit gegeben ist.