Aktuelle Ernährungsmedizin 2006; 31 - V40
DOI: 10.1055/s-2006-954493

Effekte der stationären medizinischen Rehabilitation bei Kindern- und Jugendlichen mit Adipositas – Multizentrische Studie

A van Egmond-Fröhlich 1, W Bräuer 1, HP Goldschmidt 2, H Hoff-Emden 3, J Oepen 4, E Zimmermann 5
  • 1Kinder-Reha-Klinik Am Nicolausholz, Bad Kösen
  • 2Rehabilitationsklinik für Kinder und Jugendliche, medinet Spessart-Klinik, Bad Orb
  • 3Rehabilitationsklinik für Kinder und Jugendliche Beelitz Heilstätten, Beelitz
  • 4Rehabilitations- und Vorsorgeklinik für Kinder und Jugendliche, Viktoriastift, Bad Kreuznach
  • 5Klinik für Kinder und Jugendliche, Bad Gottleuba

Einleitung und Ziel: In Deutschland trägt die stationäre Rehabilitation wesentlich zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Adipositas und Folgeerkrankungen bei, weil sie flächendeckend verfügbar ist und auch von Ressourcenschwächeren genutzt wird. Im Rahmen der multizentrischen ASRA Studie ergab sich die Möglichkeit, die Effekte der Rehabilitation multizentrisch an einer repräsentativen Stichprobe zu erfassen. Patienten und Methode: In diese multizentrischen Studie wurden alle einwilligenden konsekutiven Patienten im Alter von 9–16 Jahren (Mittel 13,3) mit primärer Adipositas (BMI>p97 AGA) in 7 Kinder-Rehakliniken eingeschlossen, die weder an Diabetes mellitus Typ1 noch an psychiatrischen Erkrankungen litten. 521 Kinder/Jugendliche nahmen an der Studie teil und wurden für 5,9±1,2 Wochen multimodal (Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie interdisziplinäre Verhaltensmodifikation) behandelt. Neben dem BMI-SDS wurden mittels Fragebögen Ess-, Ernährungs- und Bewegungsverhalten, Lebensqualität, Selbstwirksamkeit und Bewertung der Intervention erhoben. Gemessen wurde zu Beginn (t1) und Ende (t2) der Rehabilitation sowie 6 (t3) und 12 Monate (t4) danach. Das Ziel dieser multizentrischen, randomisierten, parallel kontrollierten Interventionsstudie war die Untersuchung der Effekte einer strukturierten ambulanten Weiterbetreuung durch die niedergelassenen Ärzte auf den längerfristigen Rehabilitationserfolg bei Kindern und Jugendlichen. Da die ambulanten Beratungsgespräche durch den niedergelassenen Arzt in der Interventionsgruppe keine signifikanten Effekte bewirkten, wurden die Interventions- und die Kontrollgruppe zusammengefasst analysiert. Ergebnis: Die Rehabilitation wurde in 6% vorzeitig abgebrochen. Der BMI-SDS wurde im Rehaverlauf t1-t2 um durchschnittlich (-0,325) und in 87,7% bzw. 8,4% um 0,2 bzw. 0,5 vermindert. Das Minimum des BMI-SDS (-0,43) wurde zu t3 erreicht, wobei sich der BMI-SDS gegenüber t2 um durchschnittlich 0,11 verbesserte. Bei 81,2% der Patienten konnte ein professionell gemessenes Gewicht auch zu t4 bestimmt werden. Zwischen t1 und t4 verbesserte sich der BMI-SDS bei diesen Patienten um durchschnittlich -0,21 und bei 42,2% bzw. 18,4% um mehr als 0,2 bzw. 0,5. In intention-to-treat Analyse (Missings als Fehlschlag gewertet) verbesserte sich der BMI-SDS um mehr als 0,2 bzw. 0,5 bei mindestens 34,3% bzw. 14,7%. Auch adipositasrelevantes Verhalten, Lebensqualität und Selbstwirksamkeit verbesserten sich hochsignifikant zwischen t1 und t4. Hoher Leidensdruck, ungünstiges Ernährungs- und Bewegungsverhalten und hoher sozioökonomischer Status zu t1 prädizierten den Gewichtserfolg. Das Familieneinkommen war bei den Reha-Patienten unterdurchschnittlich. Schlussfolgerung: Die stationäre Rehabilitation erwies sich als kurz und längerfristig effektiv. Maßnahmen zur multimodalen Nachsorge sollten spätestens 6 Monate nach der Rehabilitation ansetzen, um die günstigeren Effekte zu diesem Zeitpunkt zu verstetigen.