Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P1435
DOI: 10.1055/s-2006-953479

Die Mannheimer Insulin in Stroke Study (MISS). Sicherheit und Durchführbarkeit einer intensiven Blutzuckereinstellung auf der Stroke Unit. Eine randomisierte Studie

U.M. Berschin 1, S. Kreisel 1, T. Bertsch 1, H.P. Hammes 1, H. Leweling 1, M.G. Hennerici 1, S. Schwarz 1
  • 1Heidelberg

Hintergrund: Retrospektive Studien zeigen bei Schlaganfall eine Assoziation von Hyperglykämie mit negativem Outcome. Aktuelle Richtlinien empfehlen, Blutzuckerwerte (BZ) >200mg/dl zu senken. Studien bei Intensivpatienten zeigen ein verbessertes Outcome unter Einstellung auf weit niedrigere BZ-Werte. In dieser kontrollierten, prospektiven Studie untersuchten wir erstmals die Durchführbarkeit und Sicherheit einer intensiven BZ-Therapie im Setting einer Stroke Unit.

Methode: Jeweils 20 Patienten mit akutem ischämischen Schlaganfall (NIHSS >3) wurden entweder zur konventionellen oder intensiven Blutzuckertherapie randomisiert. Therapieziel bei der konventionell behandelten Gruppe war ein BZ <200mg/dl unter 6-stündlicher BZ-Messung und Behandlung mit Insulinboli s.c. Therapieziel der intensiv behandelten Gruppe war ein BZ von 80–110mg/dl unter Dauerinfusion von Insulin i.v. und stündlicher BZ-Messung. Die Behandlung begann <24h nach Symptombeginn und wurde über 5 Tage fortgeführt. Analysiert wurden klinische Parameter, BZ, Insulindosis, ACTH, Cortisol und weitere endokrinologische Parameter. An den Tagen 1, 3 und 5 wurde eine Kalorimetrie durchgeführt. Das Outcome wurde nach 4 Monaten bestimmt.

Ergebnisse: Patienten der intensiv behandelten Gruppe hatten einen höheren Bedarf an Insulin und niedrigere Blutzuckerspiegel (13,3±21,1 IU Insulin/d vs. 1,7±6,1) IU Insulin/d; BZ 116±39mg/dl vs. 132±44mg/dl; jeweils p<0.0001). In der Intensivgruppe kam es, vor allem bei Diabetikern, zu einer höheren Inzidenz hypoglykämischer Episoden, definiert als BZ <60mg/dl (23 vs. 0). Alle hypoglykämischen Episoden wurden rasch entdeckt und behandelt, keine Episode war klinisch relevant. Unabhängig von der Gruppenzuteilung hatten die Patienten einen erhöhten Energiebedarf (115% der Basal Metabolic Rate). ACTH und Cortisol zeigten im Verlauf eine abfallende Tendenz. Das Outcome (Barthel, Rankin, Mortalität) nach 4 Monaten war zwischen den Gruppen nicht unterschiedlich.

Schlussfolgerungen: Die intensive BZ-Therapie mit Insulin i.v. ist im Setting einer Stroke Unit durchführbar und führt zu niedrigeren BZ-Werten. Die intensive BZ-Therapie ist mit einer höheren Rate hypoglykämischer Episoden assoziiert, die jedoch bei engmaschigem Monitoring klinisch nicht relevant sind. Der erhöhte Energiebedarf sowie das ACTH- und Cortisol im Verlauf weisen auf eine Störung des Metabolismus in der Akutphase des Schlaganfalls hin.