Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P637
DOI: 10.1055/s-2006-953460

Zeitverlauf von T2, ADC, DWI und fraktionierter Anisotropie in akuten lakunären Hirnstamminfarkten

H. Axer 1, D. Gräßel 1, D. Brämer 1, S. Fitzek 1, W.A. Kaiser 1, O.W. Witte 1, C. Fitzek 1
  • 1Jena, Berlin-Köpenick

Der Verlauf von lakunären Hirnstamminfarkten wurde bei 19 Patienten prospektiv untersucht. Die Änderung des mittleren ADC (apparent diffusion coefficient) zeigt beim ischämischen Schlaganfall einen charakteristischen Verlauf. In der akuten Phase der Ischämie kommt es zu einem Abfall des ADC, welches als Ausdruck einer zytotoxischen Zellschädigung aufgefasst wird und zu einer Zellschwellung und damit einer Abnahme des extrazellulären Raumes und zu einer Abnahme der Diffusion im Gewebe führt. Ein kontinuierlicher Abfall des ADC kann in den ersten Stunden nach Ischämiebeginn gefunden werden. Nach einem Nadir (Transitionszeit) steigen die erniedrigten ADC-Werte wieder kontinuierlich an bis sie wieder Werte ähnlich des gesunden Gewebes erreichen (Pseudonormalisierung). Schließlich kommt es im chronischen Stadium zu einem weiteren Anstieg des ADC als Ausdruck eines zunehmenden Zelluntergangs und damit vergrößerten extrazelluären Raums und erhöhter Diffusion. Diese Verläufe sind bei hemisphärischen Infarkten gut untersucht mit Pseudonormalisierungszeiten um den 10. Tag. Da bei lakunären Hirnstamminfarkten bei einer relativ guten klinischen Prognose anzunehmen ist, dass hier andere pathophysiologische Mechanismen eine Rolle spielen, wurde der Zeitverlauf von lakunären Hirnstamminfarkten systematisch, prospektiv mithilfe der Kernspintomtographie untersucht. Dabei wurden für jeden Patienten MRT-Daten bei Aufnahme, ein bis zweimal innerhalb der ersten zwei Wochen und 3 bis 6 Monate nach Infarktereignis erhoben. Dabei zeigte sich für den ADC-Verlauf eine Transitionszeit um 100 Stunden. Die Pseudonormalisierung erfolgte nach etwa 500 Stunden und dauerte damit länger als in Territorialinfarkten beschrieben. Der DWI-Verlauf zeigte in den ersten 100 Stunden einen kontinuierlichen Anstieg, um danach wieder kontinuierlich abzufallen und sich dann den Normalwerten wieder anzunähern. Die fraktionierte Anisotropie (FA) nahm kontinuierlich bis zum letzten Untersuchungstermin 3 bis 6 Monate nach Infarktereignis kontinuierlich ab und ist Ausdruck einer zunehmenden Faserdegenration im Infarktgebiet. Die verlängerten Pseudonormalisierungszeiten der ADC in lakunären Hirnstamminfarkten deuten auf einen verzögerten Zelluntergang im Vergleich zu Territorialinfarkten hin und sind möglicherweise Ausdruck einer anderen Pathophysiologie bei Hirnstamminfarkten.