Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P619
DOI: 10.1055/s-2006-953443

Myopathie als Erstsymptom einer Chorea Huntington bei einem Marathonläufer

C. Schlangen 1, B. Sellhaus 1, J. Schiefer 1, M. Deschauer 1, F. Gelbrich 1, B. Landwehrmeyer 1, K. Lindenberg 1, C. Kosinski 1
  • 1Aachen, Halle, Ulm; Charlestown, US

Die Chorea Huntington ist eine autosomal-dominant vererbte neurodegenerative Erkrankung mit motorischen und neuropsychiatrischen Symptomen. Eine zusätzliche muskuläre Beteiligung im Sinne einer mitochondrialen Störung wird seit längerer Zeit diskutiert. Diese Annahme konnte tierexperimentell durch pathologische Befunde in licht- und elektronenmikroskopischen Untersuchungen von Muskelpräparaten transgener Huntington-Mäuse belegt werden. In humanen post-mortem entnommenen Muskel-Präparaten von Huntington-Patienten konnten ebenfalls deutliche Auffälligkeiten festgestellt werden.

Wir berichten über einen 38-jährigen semiprofessionellen Marathonläufer, der über 10 Jahre gleichbleibend gute Leistungen erbrachte, jedoch dann zunehmend unter belastungs-abhängigen Muskelschmerzen mit entsprechend eingeschränkter Leistungsfähigkeit litt. Laborchemisch konnte eine CK- und LDH-Erhöhung als Hinweis auf eine Muskelerkrankung festgestellt werden. Die licht- und elektronenmikroskopischen Befunde der Muskelbiopsie ergaben deutliche Hinweise auf das Vorliegen einer Myopathie. Ergänzende neurochemische Untersuchungen aus dem Muskel und aus einer Fibroblastenkultur belegten eine mitochondriale Dysfunktion mit einer Komplex IV-Störung. Eine klassische mitochondriale Myopathie wurde mittels mitochondrialer DNA-Analyse ausgeschlossen. Bei diesem Patienten lag mit einem CAG-Repeat von 41 ein positiver Gentest für Chorea Huntington vor, ohne dass bei Beginn der Myalgien klinische Symptome einer Chorea Huntington bestanden. Erst im Verlauf mehrerer Jahre konnten leichte choreatiforme Bewegungsmuster festgestellt werden.

Zusammenfassend ist in diesem Fall von einer Myopathie als klinische Erstmanifestation einer Chorea Huntington auszugehen, wobei die über das normale Maß hinausgehende sportliche Belastung vermutlich ausschlaggebend für die Entwicklung der muskulären Symptomatik war. Die Untersuchungen an post-mortem entnommenen Muskelpräparaten von Huntington-Patienten und die tierexperimentellen Daten sprechen für eine Muskelbeteiligung bei Chorea Huntington, die möglicherweise sehr früh im Krankheitsverlauf zu mikroskopisch nachweisbaren Muskelveränderungen führt, die im Rahmen klinischer Studien als Biomarker genutzt werden könnten.