Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P607
DOI: 10.1055/s-2006-953431

Tumoröse Schwellung des Sehnerven – Malignom oder isolierte Neurosarkoidose?

M. Schilling 1, A. Rogalewski 1, E.B. Ringelstein 1, D.G. Nabavi 1
  • 1Münster

Die Neurosarkoidose ist eine seltene idiopathische, entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Sie ist durch ein weites Spektrum verschiedener neurologischer Symptome gekennzeichnet, welche zu einer Vielzahl von Differentialdiagnosen und einer nur sehr schwierigen Unterscheidung von anderen Erkrankungen, wie der Multiplen Sklerose, Tuberkulose, Lymphomen, Gliomen oder isolierten Hirnnervenausfällen, führen können. Häufig ist trotz Durchführung von umfangreichen Untersuchungen die Diagnose nur durch eine Biopsie zu klären.

In diesem Fallbericht möchten wir über den Krankheitsverlauf einer 26-jährigen Frau berichten, die eine Visusminderung des linken Auges bis auf 20% innerhalb von 3 Wochen bemerkte. Ein diagnostiziertes Papillenödem und eine Behandlung mit niedrig dosierten Glukokortikoiden erbrachte eine intermittierende Befundbesserung mit jeweilig konsekutiver Verschlechterung unter Dosisreduktion. Die umfangreiche Differentialdiagnostik ergab in der Kernspintomographie eine tumoröse Schwellung des linken N. opticus. Liquor- und Serumdiagnostik, eine Computertomographie des Thorax, pulmonale Untersuchungen und die elektrophysiologische Diagnostik erbrachten Normalbefunde. Unter der Verdachtsdiagnose eines Tumors des N. opticus oder eines Opticusscheidenmeningeoms erfolgte eine operative Exploration mit Entnahme von Schnellschnitten. Dieses führte zur Diagnose einer Entzündung mit nicht verkäsenden Granulomen, so dass von einer Resektion des N. opticus abgesehen werden konnte. Eine medikamentöse Behandlung, zunächst mit Glukokortikoiden und anschließend über 4 Jahre mit Azathioprin führte zu einer Besserung des Visus bis auf 70% und einer Stabilisierung des Befundes. Nach nunmehr 10-jähriger Verlaufsbeobachtung ist der Befund auch ohne medikamentöse Behandlung weiterhin unverändert. Es sind keine weiteren Symptome oder Entzündungslokalisationen in der Kontroll-MRT des Kopfes nachgewiesen worden.

Dieser Fall stellt die Bedeutsamkeit der Diagnoseklärung, letztendlich auch durch eine Biopsie heraus, betont aber darüber hinaus den Stellenwert der Schnellschnittdiagnostik, da die komplette Resektion des betroffenen Gewebes unter der initialen Verdachtsdiagnose eines Tumors unweigerlich zu einem vollständigen Visusverlust geführt hätte.