Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P579
DOI: 10.1055/s-2006-953403

Antikörperreaktivität gegen Myelinproteine vor Erstmanifestation einer Multiplen Sklerose

C. Franke 1, A. Weishaupt 1, K.V. Toyka 1, R. Gold 1, A. Chan 1
  • 1Göttingen, Würzburg

Hintergrund/Fragestellung: Der prädiktive Wert von Antikörpern gegen Myelinproteine (basisches Myelin-Protein, MBP; Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein, MOG) für die Entwicklung einer Multiplen Sklerose (MS) nach Auftreten eines klinisch isolierten Syndroms (CIS) wird kontrovers diskutiert. Ziel der Studie ist die Untersuchung dieser Antikörperreaktivität in Seren von Blutspendern, die in der Folge ein CIS/MS entwickelten.

Methodik/Patienten: Über einen DMSG-Aufruf wurden bisher 27 Patienten identifiziert, von denen Rückstellproben von Blutspenden vor Erstmanifestation der MS erhältlich waren. Es stehen aktuell 67 Serumproben zur Verfügung, die einen Zeitraum von 7 Jahren bis 6 Monaten vor Erstmanifestation der Erkrankung umfassen. Von 12 Patienten liegen Proben zu unterschiedlichen Zeitpunkten vor (2–13 Proben im Abstand von 2 Monaten bis 7 Jahren). Die Kontrollgruppe besteht derzeit aus 10 gesunden Probanden (6 w, 4 m, 22–43 Jahre). Die Antikörperreaktivität gegen MOG/MBP wurde mittels Western blot unter denaturierenden Bedingungen untersucht, die Auswertung erfolgte semiquantitativ.

Ergebnisse: Bisher wurden 28 Serumproben von 18 Patienten untersucht. 28% der Patienten waren positiv für anti-MOG-IgM, 11% für anti-MOG-IgG. Anti-MBP-IgM ließen sich bei 28% der Patienten detektieren, anti-MBP-IgG bei 23%. Anti-MOG-IgM und anti-MBP-IgM in Kombination waren bei 11% der Patienten nachweisbar. Anhand der bisher vorliegenden Unterlagen ließ sich eine Antikörperreaktivität (MOG-IgM) bis mindestens 2,2 Jahre vor Erstmanifestation nachweisen. Allerdings zeigte sich auch bei einem wesentlichen Teil der Kontrollpersonen eine Antikörperreaktivität gegen Myelinproteine (20% anti-MOG-IgM, 10% anti-MOG-IgG, 10% anti-MBP-IgM, 33% anti-MBP-IgG). IgM-Antikörper gegen MOG und MBP in Kombination traten in dieser Gruppe bei 10% der Fälle auf.

Schlussfolgerungen: In dieser derzeit fortgeführten Studie lassen sich bei einer Vielzahl von Patienten Serumantikörper gegen MOG oder MBP bis mindestens 2 Jahre vor Erstmanifestation eines CIS/MS nachweisen. Allerdings weisen auch gesunde Kontrollpersonen in hohem Ausmaß eine Antikörperreaktivität auf. Somit ist die prädiktive und diskriminative Bedeutung der mittels Western blot erfassten Anti-Myelin-Antikörper in diesem präklinischen Stadium für die Entwicklung eines CIS/MS gering. Die Analyse der Antikörperreaktivität gegen konformationale Epitope der nativ gefalteten Oberflächenproteine steht im Mittelpunkt der weiteren Untersuchungen.