Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P559
DOI: 10.1055/s-2006-953383

Der Verlauf der systemischen und neurologischen HIV-Infektion bei Frauen

G. Arendt 1, Y. Jäger 1, T. Nolting 1
  • 1Düsseldorf

Einleitung: Über den Verlauf der HIV-Infektion bei Frauen ist bisher wenig bekannt. Vereinzelte Studien weisen darauf hin, dass HIV-positive Frauen bei niedrigeren Viruslastwerten (VL) im Plasma und höheren CD4±Zellzahlen versterben als Männer. Außerdem scheinen Frauen ein anderes Therapienebenwirkungsprofil zu haben als männliche HIV-Träger. Da bisher sehr wenige Kohortenanalysen vorliegen, wurden in der vorliegenden Studie retrospektiv über 14 Jahre erhobene Daten ausgewertet.

Methoden: In einer Kohorte von 1946 HIV-positiven Patienten wurden die Faktoren Geschlecht, Alter, ethnische und Hauptbetroffenengruppenzuge-hörigkeit, Dauer der HIV-Positivität, Krankheitsprogression, Todesursachen und neurologische Defizite analysiert.

Ergebnisse: Die Kohorte bestand aus 1693 Männern und 253 Frauen, wobei die Frauen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung signifikant jünger (32.1±10.0J.) als die männlichen HIV-Träger (35.5±10.2J.) waren. 17% der weiblichen und 3.2% der männlichen Betroffenen waren nicht-kaukasischen Ursprungs. Nach Hauptbetroffenengruppen aufgeschlüsselt entstammten die jüngsten männlichen und weiblichen Betroffenen der Gruppe der i.v. Drogen-gebrauchenden Patienten. Die Analyse der Infektionsdauer zeigte bei kaukasischen Patienten geschlechtsunabhängig die kürzesten Werte. Hinsichtlich der Mortalität fanden sich weder bei kaukasischen noch bei nicht-kaukasischen Betroffenen Geschlechts- oder Hauptbetroffenengruppen-spezifische Unterschiede, allerdings verstarben kaukasische Frauen in deutlich jüngeren Jahren als vergleichbare männliche Betroffene. Bezüglich neurologischer Systemmanifestationen der HIV-Infektion (ohne cerebrale opportunistische Erkrankungen) zeigte sich bei einer Krankheitsdauer von mehr als sechs Jahren bei Frauen tendentiell häufiger eine HIV-assoziierte Demenz, wobei die manifesten Demenzerkrankungen seit Einführung der modernen antiretroviralen Therapie geschlechtsunabhängig abnahmen.

Diskussion: Die vorliegenden Daten zeigen, dass sowohl weißhäutige als auch nicht-kaukasische Frauen bei Diagnosestellung einer HIV-Infektion sehr jung sind, wobei eine Erklärung hierfür die Pflichttestungen bei Schwangerschaften ist. Werden Frauen früh als HIV-Trägerinnen identifiziert und medizinisch gut betreut, ist die Krankheitsprogression sogar geringer als bei Männern; kommt es jedoch zu AIDS-Manifestationen, versterben Frauen unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit rasch.