Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P552
DOI: 10.1055/s-2006-953376

Restitution nach fulminanter Meningokokkensepsis bei einer 15-jährigen Patientin

C. Bergmeier 1, F. Joachimski 1, O.W. Witte 1, S. Isenmann 1
  • 1Jena

Infektionen mit Neisseria meningitidis zeigen nicht selten einen fulminanten Verlauf, der innerhalb von Stunden zu einer Multiorgandysfunktion mit Gerinnungsstörung (DIC) führen kann. Wir berichten über eine 15-jährige Patientin, bei der plötzlich Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Husten und Atemnot einsetzten. Innerhalb weniger Stunden kamen petechiale Hautblutungen und Fieber hinzu. Die Patientin erreichte die Klinik leicht vigilanzgemindert über ein externes Krankenhaus.

Im Vordergrund stand die systemische Entzündungsreaktion (SIRS) mit Beteiligung multipler Organsysteme einschließlich Herz, Lunge, Niere, Leber, Darm sowie DIC. Im Liquor fanden sich lediglich 65 Zellen/µl. Der Blutdruck betrug bei Aufnahme 60/30mmHg, die Herzfrequenz 150/min, das Laktat 10 mmol/l. Es entwickelte sich ein neurogenes Lungenödem, das binnen einer Stunde die Intubation erforderte. Ein im Verlauf zusätzliches Lungenödem bei aggressiver Flüssigkeitsgabe (initial 13l/d) musste zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs in Kauf genommen werden. Die Beatmung erforderte zur Sicherung der Oxygenierung innerhalb von 12 Stunden einen PEEP von 15 mbar bei einem fiO2 von 0,6–1,0. Am zweiten Tag wurden Beatmungsdrücke bis zu 20/40 mbar (PEEP/pmax; I:E 3:1; fiO2 0,8–1,0) mit intermittierender Bauchlagerung erforderlich. Bemerkenswert ist der frühe Anstieg des PCT auf 155 ng/ml, obwohl die Leukozyten erst am Tag 8 das Maximum (80 Gpt/l) erreichten. Im Rahmen der DIC betrugen die D-Dimere 23000µg/l. Es wurde eine Behandlung mit aktiviertem Protein C über 4 Tage durchgeführt (APACHE-II: 32). Als supportive Meningitis-/Sepsistherapie wurde Dexamethason/Fludrocortison hinzugefügt. Trotz der Häufigkeit eines Waterhouse-Friderichsen-Syndroms bei Meniningokokkensepsis trat dies bei unserer Patientin nicht auf. Ob die frühzeitige Corticoidgabe im Sinne einer sekretorischen Schonung der Nebenniere protektiv war, bleibt ungeklärt. Nach 10 Tagen konnte die Patientin extubiert werden. Sie machte eine septische Encephalopathie mit schwerem Psychosyndrom durch und hatte in der Folge eine schwere critical illness-PNP/Myopathie. Die anschließende Rehabilitationsbehandlung über 2 Monate erbrachte eine vollständige Wiederherstellung. Der dargestellte Verlauf illustriert die perakute vitale Bedrohung bei dieser Erkrankung. Nur die sofortige Antibiose und maximale neurologische Intensivtherapie konnte das Überleben der Patientin ermöglichen.