Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P541
DOI: 10.1055/s-2006-953365

Extra- und transkranielle Duplexsonographie bei Patienten mit homozygoter Sichelzellanämie

F. Doepp 1, C. Kebelmann-Betzing 1, A. Kivi 1, J.M. Valdueza 1, S.J. Schreiber 1
  • 1Berlin

Hintergrund: Die Sichelzellanämie (SCA) ist bei Kindern und Jugendlichen durch die Entwicklung intrakranieller Stenosen mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert. Das Monitoring der Blutflussgeschwindigkeiten (BFG) mittels transkranieller Doppler- oder Duplexsonographie (TCCS) gilt bei diesen Patienten als Methode der Wahl, um Stenosen frühzeitig zu entdecken. Ein Anstieg der BFG kann jedoch nicht nur auf Stenosen, sondern auch auf eine Hyperperfusion im Rahmen der Anämie zurückzuführen sein. Deshalb wurden in dieser Studie mittels TCCS die gemessenen intrakraniellen BFG dem globalen zerebralen Blutflussvolumen (CBF) gegenübergestellt.

Methoden: 38 Patienten mit SCA (m: 19, w: 19; 11±4 Jahre) und 8 altersentsprechende gesunde Kinder (11±3 Jahre) wurden untersucht. Der CBF wurde aus der Summe der Blutvolumenflüsse in beiden Aa. carotis int. und Vertebralarterien mittels extrakranieller Duplexsonographie bestimmt. Die BFG in beiden Aa. cerebri med. (MCA), Aa. cerebri ant. (ACA), Aa. cerebri post. (PCA), im Karotissiphon (CS) sowie in der A. basilaris (BA) wurde mittels TCCS ermittelt. Die Ergebnisse wurden mit aktuellen Hämoglobinwerten (Hb) sowie den prozentualen Anteilen des Sichelzell-Hämoglobin (Hb-S) und des fetalen Hämoglobin (Hb-F) verglichen.

Ergebnisse: Der CBF der Kontrollgruppe betrug 882±93ml/min, die BFG der MCA, ACA, PCA, CS und BA lagen bei 63±13, 52±17cm/s, 43±15, 45±2 and 48±9cm/s. Die entsprechenden Werte der Patientengruppe waren 1283±223ml/min und 103±25, 77±27, 70±22, 76±22 und 70±17cm/s. 89% aller Patienten wiesen eine zerebrale Hyperperfusion auf (CBF > CBF der Kontrollen + 2fache Standardabweichung). 5 Patienten (13%), alle mit zerebraler Hyperperfusion, erfüllten die Konsensuskriterien für intrakranielle Stenosen. CBF und BVG der MCA, ACA, PCA, CS und BA korrelierten signifikant (p<0.0001, p=0.0113, p=0.0003, p<0.0001 and p=0.02). Der Hb korrelierte invers mit dem CBF (p<0,0001) und mit der BFG in der MCA und PCA (p=0,002; p=0,005). Hb-S und Hb-F zeigten keine Korrelation zu den Ultraschalldaten.

Schlussfolgerung: Die Studie beweist eine deutliche zerebrale Hyperperfusion der meisten Patienten mit Sichelzellanämie in Abhängigkeit vom Ausmaß der Anämie. Der eindeutige Zusammenhang zwischen CBF und den BFG in den Hirnbasisgefäßen legt damit nahe, dass bei der Beurteilung etwaiger intrakranieller Stenosen im TCCS die Schwere der Anämie berücksichtigt werden sollte.