Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P509
DOI: 10.1055/s-2006-953333

Präsenile Demenz mit pathognomonischer Histopathologie bei X-chomosomaler bulbospinaler Muskelatrophie (Kennedy)

J. Prudlo 1, W. Kreß 1, P. Mestres-Ventura 1, H. Kessler 1, T. Supprian 1, B.F.M. Romeike 1
  • 1Homburg/Saar, Würzburg, Düsseldorf

Hintergrund: Die Beziehung Demenz und Motoneuronerkrankung ist insbesondere für die ALS wohl bekannt. Die Kennedy Erkrankung dagegen wird nicht mit einer Demenz in Verbindung gebracht [Katsuno 2006].

Fallbeschreibung: Wir beschreiben klinikopathologische Befunde eines 51jährigen Kennedy Patienten, der nach 20jährigem Verlauf einer klassischen Kennedy-Erkrankung mit 48 Jahren zusätzlich an einer Demenz erkrankte. Er verstarb an deren Folgen nach nur drei Jahren in einem mutistischen Zustand. Klinischen Kriterien zufolge handelte es sich um eine frontale Variante einer fronto-temporalen Demenz [Kessler 2005]. Eine extrapyramidal-motorische Störung lag nicht vor. Beide Brüder des Patienten (45 bzw. 56 Jahre) sind ebenfalls von der Kennedy-Erkrankung betroffen, leiden jedoch nicht unter einem dementiellen Syndrom.

Bei der Autopsie zeigte sich eine mäßiggradige globale Atrophie. Auf Schnittstufen fiel bereits makroskopisch eine Atrophie des Kaudatuskopfes auf. Histopathologisch fanden sich in zahlreichen Neuronen von Gehirn und Rückenmark Pick-Körperchen ähnliche zytoplasmatische Einschlüsse, die sich teilweise mit dem Anti-Polyglutamin-Antikörper 1C2 anfärbten. Ebenfalls Polyglutamin-positiv waren kleinere granuläre Einschlüsse, die in den Routinefärbungen nicht zu erkennen waren. Beide Arten von Einschlüssen waren nicht versilberbar und negativ für Ubiquitin, Tau, Beta-A4, Prion-Protein und Alpha-Synuclein. Die für die Chorea Huntington, ebenfalls eine CAG-Repeat-Erkrankungen, typischen intranukleären Einschlüsse waren nicht nachweisbar. Dennoch erinnerte das Verteilungsmuster mit bevorzugtem Befall des Neostriatums an die Chorea Huntington. Die Repeatlänge der Polyglutaminablagerungen im Gehirn war identisch zu der in den peripheren Blutlymphozyten (48 CAG Repeats im Exon 1 des Androgenrezeptor-Gens).

Schlussfolgerung: In seltenen Fällen kann eine präsenile Demenz offensichtlich doch integraler Bestandteil der Kennedy Erkrankung sein. Hierfür spricht die distinkte Histopathologie, die eine Komorbidität mit einer der bekannten Demenzformen ausschließt. Dem Zusammenhang zwischen Kennedy-Erkrankung und Demenz sollte künftig mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.