Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P468
DOI: 10.1055/s-2006-953293

Psychose, Demenz und multiple Hirninfarkte als Manifestation der Arteriitis temporalis

F. Joachimski 1, S. Isenmann 1, M. Brodhun 1
  • 1Jena

Die Arteriitis temporalis manifestiert sich meist durch Kopfschmerzen und Symptome der Vaskulitis extrakranieller Gefäße, u.a. mit Visusverlust oder Kauclaudicatio. Darüber hinaus kann es zu neurologischer Beeinträchtigung durch eine Beteiligung der intrakraniellen Gefäße kommen, die vor allem für den hinteren Hirnkreislauf beschrieben ist. Wir berichten über eine Patientin mit primär psychiatrischer Symptomatik, die im Verlauf ein demenzielles Syndrom und multiple Hirninfarkte auch im Interna-Versorgungsgebiet entwickelte.

Die bis dahin gesunde Patientin hatte im Alter von 66 Jahren eine protrahierte Episode paranoider Halluzinationen erlebt, die nach kurzer medikamentöser Behandlung spontan remittierte. Vier Jahre später wurde sie wegen erneuter Wahnvorstellungen und zunehmender Wesensänderung über 6 Monate wiederholt stationär psychiatrisch behandelt. Labordiagnostisch fiel hier eine Sturzsenkung auf, die zu umfangreicher internistischer Diagnostik Anlass gab, jedoch ätiologisch nicht eingeordnet werden konnte.

Nach klinischer Besserung wurde die Patientin in ambulante psychiatrische Behandlung entlassen. Wenige Tage später erlitt sie einen generalisierten Krampfanfall, der zur neurologischen Aufnahme führte. Es zeigte sich ein ausgeprägtes demenzielles Syndrom mit paranoid-halluzinatorischer Symptomatik und milder Hemisymptomatik links. Im zerebralen MRT zeigten sich multiple Hirninfarkte und eine rechts frontale intrazerebrale Blutung. Unter der Verdachtsdiagnose vaskulitischer Infarkte wurde eine Therapie mit 100mg Methylprednisolon begonnen und eine Temporalarterienbiopsie durchgeführt, die den Verdacht einer Arteriitis temporalis bestätigte. Innerhalb weniger Tage kam es zu einer deutlichen Besserung des Psychosyndroms; im Verlauf des folgenden Monates bildete sich die kognitive Beeinträchtigung zurück. Nach zwei Jahren ist die Patientin unter nur noch geringer Prednisolondosis klinisch und neuropsychologisch weiterhin unbeeinträchtigt.

Der kapriziöse Verlauf des Falles illustriert die Schwierigkeiten, die sich aus den zahlreichen seltenen Manifestationsformen der Arteriitis temporalis ergibt. In der Differentialdiagnose der zerebralen Ischämie, aber auch der Demenz und Psychose ist neben klinischen Aspekten auch die Blutsenkungsgeschwindigkeit als billiger und dem CRP in der Sensitivität für inflammatorische Systemerkrankungen überlegener Parameter heranzuziehen.