Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P453
DOI: 10.1055/s-2006-953278

Die Häufigkeit therapiepflichtiger kardialer Komplikationen nach akutem Schlaganfall in Bezug auf Insultursache und klinischen Schweregrad

M.A. Ritter 1, B. Kröger 1, P. Kimmeyer 1, B. Heise 1, F. Kleynmans 1, P.U. Heuschmann 1, D.G. Nabavi 1
  • 1Münster

Hintergrund: Die Stroke-unit Behandlung ist mit einem besserem Outcome nach Schlaganfall assoziiert. In Deutschland wird das Stroke-unit Konzept unter hohem apparativem Aufwand (kontinuierliches Monitoring) betrieben. In Zeiten knapper medizischer Resourcen stellt sich die Frage, ob jeder Patient mit Hirninsult auf einer Stroke-Unit behandelt werden muss. Zur Beurteilung ist die Kenntnis der tatsächlichen Häufigkeiten von Komplikationen entscheidend. In der vorliegenden Arbeit konzentrierten wir uns auf das Auftreten therapiepflichtiger kardialer Komplikationen nach Hirninsult.

Methode: Die Daten aller in 2005 auf unserer Stroke-Unit aufgenommenen Patienten (n=444) wurden prospektiv erfasst. Ätiologische Subgruppen wurden nach der TOAST-Klassifikation festgelegt, zusätzlich wurden Patienten mit primärer intrakranieller Blutung (IZB) berücksichtigt. Als kardiale Komplikationen wurden Tachykardien >130/min, symptomatische Bradykardien, Herzrhythmusstörungen Lown Grad ≥3, sowie Herzinfarkte erfasst. Der klinische Schweregrad wurde anhand des National Institute of Health stroke scale scores (NIHSSs) bei Aufnahme festgelegt. Die Häufigkeiten der Komplikationen wurde in Bezug auf die ätiologischen Subgruppen und den Schweregraden untersucht.

Ergebnisse: Kardiale Komplikationen traten bei 7/87 Patienten (8%) mit arterio-arteriellen Embolien, bei 20/137 Patienten (15%) mit kardiogenen Embolien, bei 2/51 Patienten (4%) mit lakunären Hirninfarkten, bei 2/37 Patienten (5%) mit anderen gesicherten Ätiologien, bei 4/92 Patienten (4%) mit ungeklärter Ätiologie und bei 4/40 Patienten (10%) mit IZB auf. Kardiale Komplikationen waren nur bei Patienten mit kardiogenen Embolien signifikant häufiger als bei anderen Ätiologien (p<0,05).

Kardiale Komplikationen traten bei 2/91 Patienten (2%) mit einem Aufnahme NIHSSs von 0–1, bei 8/96 Patienten (8%) mit einem NIHSSs 2–4, in 11/78 Patienten (14%) mit einem NIHSSs 5–10 und bei 14/92 Patienten (15%) mit einem NIHSSs >10 auf (p=0,03).

Zusammenfassung: Therapiepflichtige kardiale Komplikationen treten bei ungefähr 10% aller Patienten mit Hirninsulten auf. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens ist größer bei kardiogenen Embolien und IZBs sowie bei größeren klinischen Schweregraden. Allerdings erleiden auch 5–10% der Patienten mit moderaten neurologischen Defiziten kardiale Komplikationen. Kardiale Komplikationen sind eine Rarität bei Patienten mit flüchtigen Insulten oder minimalen Symptomen.