Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P443
DOI: 10.1055/s-2006-953268

Leitliniengerechtes Blutzucker-Management bei akutem Hirninfarkt

J. Berrouschot 1, T. Altenburg 1, C. Meindl 1, C. Terborg 1
  • 1Altenburg, Jena

Fragestellung: In den ersten Tagen nach akutem ischämischen Schlaganfall soll eine normoglykämische Stoffwechsellage angestrebt werden. Wir untersuchten bei Patienten mit akutem Hirninfarkt die Notwendigkeit und Effektivität einer leitliniengerechten Blutzuckereinstellung.

Methodik: In einer prospektiven Studie von 04/2005 bis 01/2006 wurde bei Patienten mit gesichertem Hirninfarkt ein mindestens zweistündiges BZ-Monitoring über insgesamt 72 Stunden auf der Stroke Unit durchgeführt. Einschlusskriterien waren: Behandlungsbeginn und Bildgebung mit Infarktnachweis innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn. Es erfolgte eine streng leitliniengerechte BZ-Einstellung (4 IE Insulin s.c. bei BZ größer 11,2 mmol/l (200mg/dl); 6 IE Insulin s.c. bei BZ größer 14 mmol/l (250mg/dl), 8 IE Insulin s.c. bei BZ größer 16,8 mmol/l (300mg/dl); bei mehr als 6 Bolusgaben pro Tag, Umstellung auf Insulinperfusor). Es wurden Sicherheit, Häufigkeit und Gesamtmenge der Insulingaben dokumentiert.

Ergebnisse: Von 146 Patienten (65 Männer, 82 Frauen, mittleres Alter 74 Jahre) waren 29 (20%) nichtinsulinpflichtige Diabetiker, 18 (12%) insulinpflichtige Diabetiker und 99 (68%) Nicht-Diabetiker. 87/146 (60%) Patienten litten unter einem metabolischen Syndrom. Der HbA1c-Wert lag bei 40 (27%) Patienten über 6,5 mmol/l. Ein Aufnahme-Blutzucker größer 6,5 mmol/l fand sich 65/146 (44%) Patienten. 50/146 (34,2%) Patienten benötigten Insulin bei insgesamt 323 hyperglykämischen Episoden (BZ größer 11,2 mmol/l), davon traten bei den Nicht-Diabetikern nur 18 (0,46%) hyperglykämische Episoden bei 3.861 Messungen auf. Patienen, die mit Insulin behandelt wurden, benötigten innerhalb der 72 Stunden eine durchschnittliche Insulinmenge von 63 IE (min. 4 IE; max. 354 IE). In keinem Fall trat eine Hypoglykämie auf.

10/146 (7%) Patienten (alles Diabetiker) mussten auf kontinuierliches i.v.-Insulin umgestellt werden.

Schlussfolgerungen: Ein Drittel der Patienten mit akutem Hirninfarkt benötigte wegen einer Hyperglykämie größer 11,2 mmol/l Insulin. Es handelte sich fast ausschließlich um Patienten mit vorbestehendem Diabetes mellitus. Die s.c.-Insulin-Gabe ist sicher. Die in den Leitlinien akzeptierten Blutzucker-Werte bis 11,2 mmol/l (200mg/dl) erscheinen allerdings als zu hoch.