Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P281
DOI: 10.1055/s-2006-953107

Fahreignung nach neurologischen Erkrankungen: Eine quantitative Analyse

J. Küst 1, U. Jacobs 1, H. Karbe 1
  • 1Bonn

In den letzten Jahren hat das Thema Fahreignung bei neurologischen Erkrankungen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die empirische Basis über Unfallhäufigkeiten oder kognitive Voraussetzungen einer aktiven Teilnahme am Straßenverkehr ist sehr gering. Aufgrund der fehlenden Meldepflicht in der BRD ist es nicht möglich, spezifische Informationen über die Auswirkungen verschiedener Erkrankungen auf die Fahreignung zu erhalten.

Zur besseren Abschätzung des Interventionsbedarfs in diesem Bereich wurde an einer konsekutiven Stichprobe rentenversicherter (RV), neurologischer Phase D – Patienten das Ausmaß der Fahreignungseinschränkungen sowie deren Auswirkungen auf die berufliche Reintegration erfasst. Ergänzend wurden die Ursachen der mangelnden oder eingeschränkten Fahreignung analysiert.

Während der 11-monatigen Datenerhebung wurden insgesamt 889 RV-Patienten erfasst, in die Studie aufgenommen wurden 694 Personen. Einschlusskriterien waren: Besitz eines gültigen Führerscheins, ein Höchstalter von 65 Jahren und die Einverständniserklärung.

Gemäß verkehrsmedizinischer Einschätzung (entsprechend Anlage 4, Fahrerlaubnis-Verordnung, FEV) war bei 45% dieser Patienten die Fahreignung nicht gegeben. Die neuropsychologische Einschätzung (entsprechend Anlage 5, FEV) ergab eine fehlende Fahreignung bei 53% der Patienten. Das häufigste Defizit, welches die Fahreignung einschränkte, war eine Störung der Aufmerksamkeit (62%) sowie Störungen der visuellen Wahrnehmung (23%).

Von den Patienten mit SHT (n=61) besaßen aus neuropsychologischer Sicht 64% und aus medizinischer Sicht 60% keine ausreichende Fahreignung. Bei den ischämischen Schlaganfällen (n=236) lag die Zahl der fahruntauglichen Patienten nach neuropsychologischer Einschätzung bei 52% und aus medizinischer Bewertung bei 44%. Etwas höher fiel hingegen die negative Beurteilung der Fahreignung bei Schlaganfällen mit Hirnblutung (n=98) aus. Hier wurde für 61% (neuropsychologisch) und für 57% (medizinisch) der Probanden keine Fahrtauglichkeit festgestellt. Die Quantifizierung dieser Problematik bildet zum einen die Grundlage für die Berücksichtigung der Fahreignung bei der sozialmedizinischen Beurteilung, zum anderen für die Entwicklung spezifischer Therapieprogramme.

In einem weiterführenden Projekt beschäftigen wir uns mit der Therapie von Fahreignung. Das Vorhaben verfolgt das Ziel der Entwicklung von Rehabilitationsstrategien der Fahreignung.

Schlüsselwörter: Fahreignung, neurologische Rehabilitation, berufliche Reintegration