ergoscience 2006; 1(2): 84
DOI: 10.1055/s-2006-926884
Berichte aus Forschung und Lehre

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

15. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium in Bayreuth vom 13. bis 15. März 2006

S. Voigt-Radloff1
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. Juli 2006 (online)

Das diesjährige Kolloquium hatte als Thema Rehabilitation und Arbeitswelt - Herausforderung und Strategien, zu dem über 500 Rehabilitationswissenschaftler Poster oder Kurzvorträge präsentierten. Der Tagungsband mit allen Abstracts ist unter www.vdr.de, Link Sozialmedizin und Forschung, Link Tagungen und Kongress einsehbar.

Im Folgenden sind die ergotherapierelevanten Entwicklungen zusammengefasst, die sich auf diesem zentralen Kongress der deutschen Rehabilitationswissenschaften abzeichneten.

In der medizinischen Rehabilitation wird zunehmend eine berufliche Orientierung gefordert. Die Umfrage bei allen Einrichtungen der Rentenversicherungsträger ergab, dass berufsorientierte Therapiekonzepte vorwiegend in der Berufsberatung und in der Ergotherapie zur Anwendung kamen (Tagungsband S. 29ff).

Kommentar: Ergotherapeuten in der medizinischen Rehabilitation sollten die Orientierung am beruflichen Alltag des Rehabilitanden ausbauen, um ihr spezifisches Leistungsprofil im interdisziplinären Team zu schärfen.

Eine Datenanalyse bei über 17.000 Rehabilitanden der medizinischen Rehabilitation zeigte einen geringen Zusammenhang zwischen berufsbezogenen Therapiemaßnahmen, die ein Klient erhält, und seiner bestehenden beruflichen Problemlage (S. 33ff).

Kommentar: Ergotherapeuten sollten standardmäßig erfragen, ob und welche Schwierigkeiten am Arbeitsplatz des Klienten vorliegen und ihre arbeitstherapeutischen Intervention darauf ausrichten.

An 182 kardiologischen Patienten einer Rehabilitationsklinik konnte in einer randomisierten kontrollierten Studie nachgewiesen werden, dass eine intensivierte berufsbezogene Rehabilitation (IBR) mit sozialdienstlicher und psychologischer Einzelbetreuung sowie auf die beruflichen Anforderung abstimmte Übungen die Berufstätigkeit und Arbeitsunfähigkeitszeiten signifikant positiverer beeinflusst als konventionelle Rehabilitationsmaßnahmen (S. 36f).

Kommentar: Ergotherapeuten sollten ihre Übungen auf die beruflichen Anforderungen abstimmen und sich stetig über Verlauf und Ergebnisse der sozialen und psychologischen Beratung informieren.

Die Testgüte, Praktikabilität, Akzeptanz und Wirkung des ergotherapeutischen Assessment (EA) auf die Diagnostik, Therapieplanung und Kommunikation im interdisziplinären Team erwies sich bei 175 arbeitstherapeutisch behandelten Klienten als gut bis hervorragend (S. 79f).

Kommentar: Nun können auch Ergotherapeuten mit arbeitstherapeutischem Schwerpunkt in der Routine das EA mit seiner neuen Domäne Arbeitsrelevante Basisaktivitäten einsetzen.

An 84 Patienten mit Hüfttotalendoprothese (TEP) konnte gezeigt werden, dass die Werte des neu entwickelten Täglichen Würzburger Bewegungsaktivitätsfragebogen (TWB) mit denen eines elektronischen Pedometers übereinstimmen. Der TWB erfasst, wie oft (quantitativ) welche Art von Bewegungsaktivitäten (qualitativ) im Verlaufe eines Tag ausgeführt wird (S. 141ff).

Kommentar: Die qualitative und quantitative Messung von über den Tag verteilten Bewegungsaktivitäten ist ein wertvoller Baustein, um die tatsächliche Betätigung im Alltag eines Klienten im Tages- oder Wochenverlauf zu ermitteln. Dies könnte in Zukunft Ergotherapeuten helfen, ein international diskutiertes, aber komplexes Konstrukt zu erfassen, nämlich das der gesundheitsfördernden Betätigungsbalance.

Sebastian Voigt-Radloff, EuMSc

eMail: sebastian.voigt@uniklinik-freiburg.de