Gesundheitswesen 2006; 68(5): 281-288
DOI: 10.1055/s-2006-926779
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der privaten Krankenversicherung (PKV): Unterschiede in Morbidität und Gesundheitsverhalten

Persons Insured with the German Statutory Sickness Funds or Privately Insured: Differences in Health and Health BehaviourP. Kriwy1 , A. Mielck2
  • 1Institut für Soziologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
  • 2GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Neuherberg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. Juni 2006 (online)

Zusammenfassung

In diesem Beitrag werden gesetzlich und privat versicherte Personen in ihrem Gesundheitszustand und ihrem Gesundheitsverhalten vergleichen. Dieses Thema ist in der Public-Health-Forschung bisher weitgehend vernachlässigt worden. Die Datengrundlage der Analyse sind deutsche Studienteilnehmer des Bundesgesundheitssurveys 1998 (n = 6822). Die multivariaten Analysen wurden mithilfe der multivariaten OLS und logistischen Regression durchgeführt. Die Berechnungen erfolgen separat für das Geschlecht und bei Kontrolle der Variablen Alter, Bildung, Einkommen und Wohnort. Als zentrales Ergebnis kann Folgendes berichtet werden: Privat versicherte Männer weisen weniger Krankheiten auf und fühlen sich auch gesünder als gesetzlich versicherte Männer. Bei den Frauen ist dagegen kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Art der Krankenversicherung (d. h. GKV oder PKV) und ihrem Gesundheitszustand vorhanden. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse wird vor allem auf die „Selektionshypothese” zurückgegriffen. Sie besagt, dass gesündere Personen eher privat versichert und kränkere Personen eher gesetzlich versichert werden. Demnach wäre davon auszugehen, dass ein möglicher Effekt der Privatversicherung auf eine bessere Gesunderhaltung („Kausationshypothese”) nur von untergeordneter Bedeutung ist. In Anbetracht der gegenwärtigen Diskussion über die Grenzziehung zwischen GKV- und PKV-Versicherung sollte den hier angesprochenen Themen größere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Abstract

This paper deals with differences in health and health behaviour between those who are insured in the German Statutory Sickness Funds (GKV) and those who are privately insured (PKV). This topic has been largely ignored in German Public Health research. The analyses are based on data from a large survey in Germany conducted in 1998 and including 6822 adults. The multivariate analyses have been performed with OLS and logistic regression, separately for men and women and controlling for age, educational level, income and region. The most important result is that PKV-insured men have fewer diseases and feel more healthy than GKV-insured men. For women, though, no significant association could be found between health and type of health insurance. The interpretation of these results is mainly based on the “selection hypothesis”, stating that healthier persons are more likely to be insured in the PKV than in the GKV. This would imply that the “causation hypothesis” (stating that being privately insured has a positive effect on health) is less important. Taking into account the current discussion on the balance between GKV and PKV, it is believed that future research should focus more on these topics.

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Dipl.-Soz. Peter Kriwy

Institut für Soziologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Westring 400

24098 Kiel

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