Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P570
DOI: 10.1055/s-2004-833433

CIDP bei einem Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 (Morbus Recklinghausen)

J Schubert 1, H Pradel 1, J Berrouschot 1
  • 1(Altenburg)

Wir berichten über einen 64-jährigen Patienten mit folgender Anamnese: seit Wochen allmählich zunehmende Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in beide Beine, zunehmende Gangverschlechterung infolge Kraftminderung der Beine bis zur Rollstuhlpflichtigkeit; Taubheitsgefühl in den Fußsohlen und später auch in den Händen.

Eigenanamnestisch war eine Neurofibromatose Typ 1 bekannt (autosomal dominant vererbte neuroektodermale Systemerkrankung mit Bildung von Neurofibromen, Schwannomen und Café-au-lait-Flecken; Prävalenz 3/100000). Sein Vater war bereits von dieser Erkrankung betroffen gewesen.

Neurologischer Befund bei Aufnahme: Multiple Neurofibrome der Haut mit massenhaft Café-au-lait-Flecken; schlaffe Tetraparese (obere Extremitäten: Kraftgrad 4; untere Extremitäten Kraftgrad 3); Muskeleigenreflexe nicht auslösbar, keine pathologischen Reflexe; Hypästhesie im Bereich der Handflächen und Fußsohlen; übriger neurologischer Status regelrecht.

Diagnostik: MRT-Schädel und spinales MRT (T1-, T2-Wichtung unter Kontrastmittelgabe): unauffällig, insbesondere kein Anhalt für Neurofibrome im Spinalkanal. Liquor (mehrfach bestimmt): zytoalbuminäre Dissoziation (Zellzahl unter 2/µl; Gesamteiweiß zwischen 2436 bis 3442mg/l; Glucose und Lactat im Normbereich). Elektrophysiologie: in der motorischen Neurographie Verzögerung der distalen motorischen Latenz sowie temporale Dispersion jeweils in mehr als drei Nerven, F-Wellen in einem Nerven ausgefallen; in der sensiblen Neurographie erheblich verzögerte Nervenleitgeschwindigkeiten in allen untersuchten Nerven.

Diagnose: sichere CIDP (chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie, Inzidenz 0,5/100000) entsprechend den INCAT-Diagnosekriterien nach Hughes et al. (2001) und Saperstein et al. (2001).

Therapie und Verlauf: Unter Prednisolon (1,5mg/kg KG) waren in den folgenden Wochen die Tetraparese und die Parästhesien deutlich regredient. Der Patient erlangte die selbständige Gehfähigkeit wieder.

Diskussion: Dies ist unseres Wissens der erste beschriebene Fall einer CIDP bei einem Patienten mit Neurofibromatose Typ 1. Es bleibt offen, ob zwischen beiden Erkrankungen ein pathogenetischer Zusammenhang bestand.