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DOI: 10.1055/s-2004-833206
Neue Hinweise zur Ätiologie des Ross-Syndroms durch eine 50-jährige Krankengeschichte
Bei Patienten mit Ross-Syndrom findet sich eine Trias aus Anhidrose, Areflexie und tonischer Pupillenreaktion. Als Ursache der Anhidrose wird eine selektive Degeneration von cholinergen sudomotorischen Neuronen angenommen. In nicht betroffenen Arealen beobachtet man eine Hyperhidrose, die als Kompensation für durch Degeneration anhidrotisch gewordenen Gebiete interpretiert wird. Diese bisherige pathophysiologische Hypothese zur Erklärung des Ross-Syndroms wird durch einen Patienten infrage gestellt, der sich im Frühjahr 2003 in der Neurologischen Universitätsklinik Tübingen vorstellte. Bei dem 67 jährigen Patienten mit dem klinischen Bild eines Ross Syndroms fand sich eine segmentale Hyperhidrose im Bereich der Dermatome Th5–10 links bei generalisierter Hypohidrose der übrigen Haut. Auffällig war der Wandel seiner Beschwerden im Laufe des Lebens. Von seiner Adoleszenz bis zum Alter von etwa 50 Jahren litt er unter einer einseitigen Hyperhidrose des Gesichtes bei ansonsten generalisierter Hypohidrose. Im Alter von 50 Jahren veränderten sich die Beschwerden, die asymmetrische Schweißsekretion im Gesicht bildete sich zurück, er entwickelte jedoch eine ausgeprägte Hyperhidrose in den Dermatomen Th5–8 linksseitig. Mithilfe von Hautwiderstandsmessungen und einem Ninhydrintest konnten die Angaben des Patienten objektiviert und bestätigt werden. Während der Wegfall von hyperhidrotischen Hautarealen durch die Hypothese einer neurodegenerativen Erkrankung mit Untergang cholinerger Fasern unschwer erklärbar wäre, ist der Ortswechsel des hyperhidrotischen Hautgebietes unklar. Zwei mögliche Interpretationen bieten sich hierfür an:
1.) Die Hyperhidrose ist nicht nur eine Kompensation für die fehlende Schweißsekretion anderer Hautareale, sondern stellt eine eigenständige Störung der Schweißregulation dar.
2.) Beim Ross-Syndrom finden sich neben der Degeneration von cholinergen Fasern auch regenerative Prozesse.
Obwohl beide Hypothesen als spekulativ angesehen werden müssen, bieten sie interessante Ansatzpunkte für zukünftige Untersuchungen an Patienten mit Ross-Syndrom.
Abb. 1: Schweißverteilung 1949–2003