Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P317
DOI: 10.1055/s-2004-833179

Spinale epidurale Lipomatosen – eine klinische und bildgebende Diagnose?

V Bretschneider 1, AD Sperfeld 1, A Unrath 1, AC Ludolph 1, J Kassubek 1
  • 1(Ulm)

Fragestellung: Die spinale epidurale Lipomatose (SEL) ist ein seltenes Krankheitsbild, bei dem es zu einer Vermehrung des epiduralen Fettgewebes im Bereich der Wirbelsäule kommt und deren Ätiologie nicht abschließend geklärt ist. In der Literatur finden sich als assoziierte Erkrankungen Adipositas und längerdauernde Steroid-Medikation. In Abhängigkeit vom Ausmaß der epiduralen Fettgewebsvermehrung werden Syndrome beschrieben, die von monoradikulären Läsionen bis zu langstreckigen Myelopathien reichen. Als Therapie der Wahl gilt die chirurgische dekomprimierende Laminektomie. In dieser retrospektiven Untersuchung wurde der Frage nach Normwerten der Dicke epiduralen Fettgewebes sowie der klinischen Symptomatologie von SEL nachgegangen.

Methoden: Retrospektiv wurden 192 kernspintomographische Untersuchungen der Wirbelsäule in unserer Klinik untersucht (mittleres Alter57,9 Jahre, 54% Männer). Ausschlusskriterien waren Spondylodiszitiden, intradurale Bandscheibenvorfälle, intraspinale Raumforderungen, Syringomyelitiden, spinale Traumata und Wirbelkörperfrakturen sowie vorausgehende zerviko-thorakale Operationen oberhalb von BWK 9. Ausgemessen wurden Dicke des Myelons, Durchmesser des Wirbelkanals sowie Dicke des epiduralen Fettgewebes auf den Höhen HWK2 und BWK4. Als signifikant wurde bewertet eine epidurale Fettgewebsvermehrung um mehr als zwei Standardabweichungen gegenüber dem Mittelwert.

Ergebnisse: Normwerte bzgl. der Dicke von Myelon und epiduralem Fettgewebes in Abhängigkeit von Lebensalter und Geschlecht konnten erhoben werden (Myelondicke HWK2=8,3mm n=91; Myelondicke BWK4=6,7mm n=86; epidurales Fettgewebe auf Höhe BWK4=2,9mm n=85). Sechs Fälle signifikanter epiduraler Fettgewebsvermehrung konnten gefunden werden; keiner der Patienten hatte Steroide erhalten. Eine Aufarbeitung der Krankengeschichte anhand der Krankenakten erbrachte, dass keiner der Patienten eine als typisch für eine SEL vorbeschriebene klinische Symptomatik gezeigt habe. Eine Patientin war operiert worden, ohne dass hierdurch eine Verbesserung der Symptomatik hätte erreicht werden können.

Schlussfolgerungen: Auch unter Berücksichtigung der hier erstmals erhobenen Normwerte für die Dicke zervikalen und thorakalen epiduralen Fettes gehen signifikante epidurale Fettgewebsvermehrungen nicht obligat mit der Entwicklung neurologischer Symptome einher. Die Indikation zur chirurgischen Dekompression ist bei diesen Patienten zurückhaltend zu stellen.