Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P287
DOI: 10.1055/s-2004-833150

Der Abbau der Myelinscheiden während der Waller'schen Degeneration im menschlichen Rückenmark

K Pech 1, B Kakulas 1, D Martin 1, J Schoenen 1, J Noth 1, GA Brook 1
  • 1(Aachen; Sydney, AUS; Lüttich, B)

Die Degeneration einer Nervenfaser distal einer Verletzung wurde zuerst 1850 von August Waller beschrieben und wird heutzutage als Wallersche Degeneration bezeichnet. Während im verletzten peripheren Nervensystem (PNS) eine axonale Regeneration mit funktionaler Restitution möglich ist, kommt es im zentralen Nervensystem (ZNS) nicht zu einer bedeutsamen Regeneration. Tierexperimentelle Studien deuten darauf hin, dass der im Vergleich zum PNS verlangsamte Abbau der Myelinscheide mit wachstumshemmenden myelin-assoziierten Proteinen, wie z.B. NOGO-A oder MAG, ein wichtiger Faktor für das fehlende Auswachsen verletzter ZNS-Axone sein könnte. Da entsprechende Untersuchungen an humanem Material nicht vorliegen, führten wir immunhistochemische Untersuchungen an post mortem gewonnenem Rückenmarksgewebe von Patienten durch, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach traumatischen Rückenmarksverletzungen bzw. zerebralen Infarkten gestorben waren.

Im Vergleich mit den tierexperimentellen Daten kommt es im humanen Rückenmark zu einem zeitlich stark verzögerten Verlust der Myelinscheiden, der über mehrere Jahre verläuft. Die Untersuchung verschiedener myelin-assoziierter Proteine zeigt, dass es in Übereinstimmung mit experimentellen Ergebnissen zu einem sequentiellen Abbau der Myelinscheiden kommt. In den ersten 4–5 Monaten nach Verletzung werden die Proteine der inneren, periaxonalen Myelinmembran zeitgleich mit den von ihnen umhüllten Axonen abgebaut. Der Verlust des Kompaktmyelins und der äusseren Myelinmembran verläuft mit signifikanter zeitlicher Verzögerung, so dass in den degenerierenden Fasertrakten erst mehrere Jahre nach Verletzung und lange nach dem Abbau der Nervenfasern kein Myelin mehr nachweisbar ist.

Oligodendrozyten waren auch nach Überlebenszeiten von 30 Jahren noch in den degenerierten Trakten nachweisbar. Im Vergleich zu nicht betroffenen Faserbahnen war ihre Zahl jedoch um ca. 30–40% reduziert.