Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P270
DOI: 10.1055/s-2004-833133

Schwindel bei Agoraphobie mit Panikstörungen – Häufigkeit und Ansprechen auf Psychotherapie

C Moschner 1, N Heinrichs 1, K Hahlweg 1, W Fiegenbaum 1, K Wessel 1
  • 1(Braunschweig)

Fragestellung: Bei etwa 20–50% der Patienten mit komplexeren Schwindelbeschwerden wird in Spezialambulanzen eine überwiegend psychogene Ursache diagnostiziert. Eine der häufigsten psychiatrischen Störungen, die mit subjektivem Schwindel einhergeht, ist die Panikstörung mit Agoraphobie (ICD 10: F41.0). Wir untersuchten prospektiv die Häufigkeit eines beängstigenden Schwindels und anderer somatischer Beschwerden, ggf. ihre Intensität und ihre Beeinflussung durch eine verhaltentherapeutische Psychotherapie bei 389 Patienten, die mit der Diagnose Agoraphobie in einer Ambulanz der Christoph-Dornier-Stiftung diagnostiziert wurden.

Methode: Die Diagnose wurde mittels standardisiertem Interview validiert und Häufigkeit und Intensität der Symptome durch standardisierte Fragebögen psychometrisch erfasst, einmal vor der Therapie, dann sechs Wochen nach Therapie und bei 79% Patienten auch ein Jahr später.

Ergebnisse: Schwindel war mit 66% die häufigste sehr oder extrem angstauslösende körperliche Beschwerde. Nach der Psychotherapie mit kognitiver Vorbereitung, einer zwei- bis dreiwöchigen Intensivbehandlung mit massiver Konfrontation gegenüber angstauslösenden Reizen unter direkter psychotherapeutischer Betreuung und anschließender Selbstkontrollphase gaben in dieser Gruppe mit initial starkem Schwindel 70% der Patienten keine starke Angst vor Schwindel mehr an. Dieser Therapieerfolg war nach einem Jahr stabil und ging einher mit dem relativ größten Therapieeffekt auch gemessen an anderen psychometrischen Parametern. Alter der Patienten und Dauer der Symptomatik hatten dabei keinen starken Einfluss auf den Therapieeffekt, auch war die Reduktion des Schwindels nicht spezifischer für den Gesamt-Therapieeffekt als die Reduktion anderer körperlicher Beschwerden.

Schlussfolgerung: Diese Studie belegt, dass bei einem Teil der Patienten mit Agoraphobie der Schwindel mitunter die vorrangige Beschwerde ist, demnach zur Abklärung des Leitsymptoms Schwindel unbedingt auch eine sorgfältige Exploration bezüglich Angsterkrankungen gehören sollte. Hinweisend sind u.a. für Panikattacken typische Auslöser wie enge Räume, Menschenmengen oder besondere soziale Situationen, ein eher diffuser und wechselnder Schwindelcharakter und soziale Rückzugstendenzen. Dieses ist umso relevanter, als sich die Schwindelbeschwerden durch eine geeignete Psychotherapie bei der Mehrzahl der Patienten sehr gut behandeln lassen.