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DOI: 10.1055/s-2004-833092
Wernicke-Encephalopathie bei Hyperemesis gravidarum: Reduzierte Transketolase und Magnesiummangel als pathogenetische Faktoren
Das klassische Bild einer Wernicke-Encephalopathie mit Augenbewegungsstörungen, einer Ataxie sowie psychischen Veränderungen im Sinne eines Korsakow-Syndroms findet sich relativ häufig bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit und/oder Fehlernährung; ätiologisch liegt ein Thiaminmangel zugrunde.
Wir berichten über eine 39jährige Patientin, bei der es nach einer In-vitro-Fertilisation mit nachfolgender Zwillingsschwangerschaft zu einer ausgeprägten Frühgestose mit massiver Hyperemesis gekommen war, so dass eine parenterale Ernährung über mehrere Wochen notwendig wurde. Die Patientin klagte 2 Tage vor Verlegung in unsere Klinik über Doppelbilder und Übelkeit, nach vorübergehender Besserung traten die Symptome erneut mit einer zusätzlichen Bewusstseinstrübung auf. Bei Aufnahme sahen wir eine soporöse Patientin mit einem deutlichen Up-beat-Nystagmus bei gleichzeitiger bilateraler Abducensparese, einem ausgeprägten Drehschwindel, Übelkeit und Tachykardie. In der Kernspintomographie zeigten sich die typischen Befunde einer Wernicke Encephalopathie mit bilateralen symmetrischen Läsionen im Bereich der Brücke und des Thalamus, in der Zirkumferenz des Aquädukts und am Boden des 4. Ventrikels in der Höhe der Medulla oblongata. Die Laboruntersuchungen ergaben einen Thiaminspiegel im unteren Normbereich sowie einen erniedrigten Magnesiumspiegel.
Zusätzlich fand sich bei der Patientin neben einer Reduktion der Transketolaseaktivität ein erhöhter Effekt des Cofaktors Thiamin-Pyrophosphat. Diese konstitutive Transketolasevariante kann mit einem einfachen Labortest nachgewiesen werden und gilt als prädisponierender Faktor für die Entwicklung einer Wernicke-Encephalopathie, auch wenn der Thiamin-Serumspiegel noch im Normbereich liegt. Als weiterer auslösender Faktor ist sicherlich der Magnesiummangel zu diskutieren, der zu einer unzureichenden Thiaminphosphorylierung und somit zu einer mangelnden Funktion dieses Coenzyms im neuronalen Energiestoffwechsel führen kann.
Unter einer hochdosierten intravenösen Thiamin- und Magnesiumsubstitution kam es bei unserer Patientin im Verlauf weniger Wochen zu einer nahezu vollständigen Remission der Symptomatik.