Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P221
DOI: 10.1055/s-2004-833084

Klinische und elektrophysiologische Charakterisierung von Patienten mit spät beginnender sporadischer cerebellärer Ataxie

M Abele 1, T Klockgether 1
  • 1(Bonn)

Fragestellung: Sporadische Ataxien stellen nach wie vor ein diagnostisches Problem dar. Nach Ausschluss einer Multisystematrophie sowie bekannter symptomatischer und genetischer Ursachen bleibt bei knapp 60% der Betroffenen die Erkrankung ungeklärt. Ob es sich bei dieser Gruppe um eine Krankheitsentität handelt oder um eine heterogene Gruppe unterschiedlicher Erkrankungen ist nicht bekannt. Ziel dieser Studie war eine möglichst genaue Charakterisierung dieser Patienten.

Methoden: 28 Patienten (12 Männer/16 Frauen) mit einer spät beginnenden cerebellären Ataxie unklarer Ätiologie wurden nach einem standardisierten Protokoll untersucht. Neben einer klinischen Untersuchung wurden elektrophysiologische Messungen (Neurographie, transkranielle Magnetstimulation, somatosensorisch evozierte Potentiale) und Funktionsprüfungen des autonomen Nervensystems (Schellong, Valsalva, Ewing, RSA) durchgeführt.

Ergebnisse: Das Durschschnittsalter der Patienten lag bei 55±13 Jahren, der Erkrankungsbeginn bei 48±14 Jahren und die durchschnittliche Krankheitsdauer bei 7±6 Jahren. Frauen erkrankten im Durchschnitt 11 Jahre früher als Männer (43±12 vs. 54±15 Jahre; p<0.05). Die mediane Latenz nach Krankheitsbeginn bis zur Nutzung von Gehhilfen betrug 8 Jahre. Alle Patienten hatten eine Stand- und Gangataxie, über 90% eine Extremitätenataxie und Brady- bzw. Dysdiadochokinese und ca 85% eine cerebelläre Dysarthrophonie. An extracerebelläre Symptome fanden sich eine Pallhypästhesie bei ca 70%, Blasen- und Schluckstörungen sowie Reflexabschwächung bei ca 30%, Doppelbilder bei 25% und gesteigerte Reflexe bei ca 20%. Neurographisch konnte bei knapp 20% der Patienten eine vorwiegend sensible Neuropathie nachgewiesen werden. Die somatosensorisch evozierten Potentiale waren bei ca 40% der Patienten pathologisch wohingegen sich lediglich bei ca 15% eine Verzögerung der zentralmotorischen Leitungszeit fand. Autonome Störungen waren in über der Hälfte der Patienten nachweisbar, wobei am häufigsten eine verminderte Herzratenvariabiliät bei tiefer Atmung (44%) und nach aktivem Aufstehen (19%) vorlag.

Schlussfolgerungen: Trotz im Vordergrund stehender Ataxie finden sich bei vielen Patienten Hinweise auf eine Schädigung von Hintersträngen, peripherem Nervensystem, Hirnstamm und Pyramidenbahn. Die fehlende Korrelation autonomer Störungen mit Erkrankungsdauer und Untersuchungsalter könnte Hinweis auf eine Subgruppe von Patienten mit Schädigung des autonomen Nervensystems sein.