psychoneuro 2004; 30(6): 302-303
DOI: 10.1055/s-2004-829989
DGBS e.V.

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Bipolare Erkrankung im Kindes- und Jugendalter

Ingeborg Schweiß1
  • 1Psychiatrische Klinik und Poliklinik der LMU München
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Publikationsdatum:
16. Juli 2004 (online)

Ebenso wie früher viele Forscher angenommen hatten, Kinder könnten nicht an Depressionen erkranken, glaubte man lange Zeit, eine bipolare Erkrankung könne nur im Erwachsenenalter auftreten (z.B. 2). Im Gegensatz hierzu stehen Ergebnisse retrospektiver Studien, die schon in den 20-er Jahren das Auftreten bipolarer Erkrankungen im Kindesalter nachweisen [9]. In diesen Studien wurde gezeigt, dass 0-4 % Prozent aller bipolaren Erwachsenen schon im Kindesalter (<10 Jahre) eine erste manisch-depressive Episode erlitten. Kraepelin berichtet sogar von einer sechsmonatigen manischen Episode eines fünfjährigen Kindes [9].

Heute wird die Prävalenz dieser Erkrankung im Kindes- und Jugendalter mit einem Wert von unter 0,1 % als relativ gering eingeschätzt [11]. Man kann jedoch davon ausgehen, dass dieser Wert die tatsächliche Auftretenshäufigkeit bei weitem unterschätzt. Grund hierfür mag sein, dass in der kinderpsychiatrischen und -psychologischen Praxis das Beschwerdebild häufig fehlinterpretiert wird zugunsten einer im Allgemeinen häufiger diagnostizierten Erkrankung wie einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder einer Verhaltensstörung [5].

Eine umfassende (Differential-) Diagnostik ist also im Hinblick auf eine effektive Therapie unumgänglich. Untersuchungen haben gezeigt, dass bipolare Jugendliche eine signifikant höhere funktionale Beeinträchtigung aufweisen, eine erhöhte Komorbidität mit anderen Erkrankungen (Angststörungen, aggressive Verhaltensstörungen) und eine erhöhte Suizidgefährdung als rein unipolar depressive und psychisch gesunde Jugendliche der Vergleichspopulation [10].

Literatur:

  • 1 Anthony J, Scott P. Manic-depressive psychosis in childhood.  Journal of Child Psychology and Psychiatry. 1960;  1 53-72
  • 2 Barton-Hall M. Our present knowledge about manic-depressive states in childhood.  Nerv Child. 1952;  9 319-325
  • 3 Biederman J, Faraone S. et al. . Attention-deficit hyperacitivity disorder and juvenile mania: an overlooked comorbidity?.  J Am Acad Child Adolesc Psychiatry. 1996;  35 997-1008
  • 4 Bradley C. Definition of childhood in psychiatric literature.  American Journal of Psychiatry. 1937;  94 33-36
  • 5 Carlson GA. Annotation: child and adolescent mania- diagnostic considerations.  Journal of Child Psychology and Psychiatry. 1990;  31 331-341
  • 6 Grunze H, Walden J. Die Behandlung bipolarer Störungen. In: Die Bipolaren Störungen. Manisch-depressive Erkrankungen. Ratgeber für Betroffene und ihre Angehörige. Stuttgart, Georg Thieme Verlag 2003: 17-49
  • 7 Hallowell E. Treatable conditions parents should learn to recognize. In: Hallowell E. When you worry about the child you love. New York, Fireside 1997: 41-42
  • 8 Hallowell E. Mad: When Children act up. In: Hallowell E. When you worry about the child you love. New York, Fireside 1997: 115-154
  • 9 Kraepelin E. Manic-depressive Insanity and Paranoia. Edinburgh, Livingstone 1921
  • 10 Lewinsohn P, Klein D, Seeley J. Bipolar disorders in a community sample of older adolescents: prevalence, phenomenology, comorbidity, and course.  Journal of Am Acad Child Adolesc Psychiatry. 1995;  34 454-463
  • 11 Remschmidt H. Affektive Störungen. In: Remschmidt H. (Ed.). Kinder- und Jugendpsychiatrie - Eine praktische Einführung. Stuttgart, Thieme 2000: 196-206
  • 12 Stutte H. Endogen-phasische Psychosen im Kindesalter.  Acta Paedopsychiatrica. 1963;  30 34-42
  • 13 Warnke A, Jans T, Remschmidt H. Bipolare affektive Störung. In: Harrington RC. Kognitive Verhaltenstherapie bei depressiven Kindern und Jugendlichen. Göttingen, Hogrefe 2001

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