Aktuelle Ernährungsmedizin 2003; 28 - 88
DOI: 10.1055/s-2003-816381

Binge Eating, psychosoziale Faktoren und Depression bei Patienten mit morbider Adipositas

R Riener 1, K Schindler 1, B Ludvik 1
  • 1Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Klin. Abt. für Endokrinologie und Stoffwechsel, Wien, Österreich

Zielsetzung: Der Adipositas können mitunter psychische Störungen wie eine Depression oder Essstörung (z.B. Binge Eating Disorder – BED) zugrunde liegen, das Übergewicht führt jedoch oftmals selbst zu psychischen Problemen. Die vorliegende Studie hat zum Ziel, Unterschiede bezogen auf psychosoziale/psychische Aspekte und Depression bei morbid adipösen Patienten in Abhängigkeit von einer BED zu evaluieren.

Materialien und Methoden: Nach einem teilstandardisierten Interview bei 110 morbid Adipösen konnte die Diagnose einer binge eating disorder bei 19 Patienten (BED, Alter 37,6±12,6 Jahre, BMI 46,9±3,8kg/m2) gestellt bzw. bei 70 (NBED, Alter 43,3±13,2 Jahre, BMI 47,1±6,1kg/m2, ns. vs. NBED) ausgeschlossen werden. Das Interview umfasste ebenfalls Fragen bezüglich subjektiver Meinung zum eigenen Übergewicht sowie zur psychischen/psychosozialen Lebenssituation. Zusätzlich wurden Fragebögen zur Erfassung einer depressiven Symptomatik (BDI) sowie zum Essverhalten (FEV) vorgelegt.

Ergebnisse: Patienten mit BED sind sich der Wirkungszusammenhänge zwischen Essverhalten und Übergewicht bewusster als Patienten ohne BED (p<0,05), leben außerdem häufiger in belastenden Beziehungen (p=0,001) und sind vermehrt seit der Kindheit übergewichtig (p<0,05). Keine signifikanten Unterschiede konnten wir bezüglich psychischer Belastung und Depressivität zwischen beiden Gruppen finden. Jedoch zeigen Patienten mit BED in ihrem Essverhalten eine ausgeprägtere Störbarkeit durch emotionale und situative Auslöser als Patienten ohne BED (p<0,05).

Zusammenfassung: Morbid adipöse Patienten mit BED sind sich ihrer Gewichtsproblematik bewusster als Patienten ohne BED, leben vermehrt in belastenden Beziehungen und sind häufiger bereits seit der Kindheit adipös. Das Essverhalten morbid Adipöser mit BED ist zudem durch eine höhere Störbarkeit durch emotionale und situative Auslöser gekennzeichnet.