Aktuelle Ernährungsmedizin 2003; 28 - 26
DOI: 10.1055/s-2003-816319

Folgen einer Aufzucht durch diabetische Mutterratten für die frühpostnatale Entwicklung mediobasaler hypothalamischer Kerne

S Fahrenkrog 1, T Harder 1, K Franke 1, A Plagemann 1
  • 1Experimentelle Geburtsmedizin, Klinik für Geburtsmedizin, Campus Virchow-Klinikum, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Deutschland

Kürzlich fanden wir in einer klinisch-epidemiologischen Studie eine positive, dosisabhängige Beziehung zwischen der neonatalen Aufnahme diabetischer Muttermilch und dem Adipositasrisiko im Kindesalter (1). Nahrungsaufnahme und Körpergewicht werden maßgeblich im Hypothalamus, vor allem im Nucleus arcuatus hypothalami (ARC), durch Neuropeptide reguliert. Leptin supprimiert die Expression von Neuropeptid Y (NPY) und Agouti-related Peptide (AGRP), welche die Nahrungsaufnahme stimulieren, und stimuliert α-Melanocytenstimulierendes Hormon (α-MSH), welches anorektisch wirkt. Wir untersuchten daher im Rattenmodell mögliche Auswirkungen einer Exposition gegenüber diabetischer Muttermilch auf die Entwicklung von Neuronen im ARC, die an der Regulierung von Nahrungsaufnahme, Körpergewicht und Stoffwechsel beteiligt sind. Tiere, die vom 1. bis zum 21. Lebenstag (LT) durch diabetische Mutterratten aufgezogen wurden, zeigten eine Wachstumsverzögerung, verglichen mit Tieren, die von Kontrollmüttern gesäugt wurden (p<0,01). Es fanden sich hierbei am 21. LT keine signifikanten Gruppenunterschiede im Glukose-, Insulin- oder Leptinspiegel. Die frühpostnatale Exposition gegenüber diabetischer Muttermilch war am 21. LT mit Befunden assoziiert, die auf eine „Fehlprogrammierung“ hypothalamischer Regelsysteme von Nahrungsaufnahme und Körpergewicht hinweisen: Bei normalen Leptin- und Insulinspiegeln kam es neuromorphometrisch zu signifikant vergrößerter immunpositiver Fläche von NPY (p<0,01) und AGRP (p<0,05) im ARC. Das POMC/ α-MSH-erge System zeigte trotz normaler Plasmainsulin- und -leptinkonzentrationen eine verminderte immunpositive Fläche im ARC bei Tieren, die mit diabetischer Muttermilch aufgezogen wurden (p<0,05). Diese Befunde zeigen erstmals, dass eine Exposition gegenüber diabetischer Muttermilch zu einer „Fehlprogrammierung“ hypothalamischer neuropeptiderger Regelsysteme führt, welche das Langzeitoutcome bei Nachkommen diabetischer Mütter beeinflussen könnte.

(1) Plagemann et al, Diabetes Care 25 (2002), 16–22.

Gefördert durch die DFG (PL 241/1–3)