Z Sex Forsch 2003; 16(2): 143-159
DOI: 10.1055/s-2003-40684
Originalarbeiten

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sexuelle Lebensstile in drei Generationen

Eine Analyse autobiographischer Geschichten über Sexualität und Beziehung[1] E. Haavio-Mannila, O. Kontula, A. Rotkirch
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Publication Date:
15 July 2003 (online)

Zusammenfassung

Basis dieser empirischen Untersuchung sind 166 Autobiographien, die finnische Männer und Frauen der Jahrgänge 1917 bis 1973 über ihr Sexual- und Beziehungsleben geschrieben haben. Die Autoren destillieren fünf Typen sexueller Lebensstile aus ihrem Material: „zufriedene Monogamie”, „devitalisierte Beziehungen”, „serielle Beziehungen”, „Parallelbeziehungen” und „Partnersuche”. Die Häufigkeit dieser Lebensstile wird für drei Generationen verglichen, die die Autoren als Generation der sexuellen Restriktivität (Jahrgänge 1917-1936), der sexuellen Revolution (1937-1956) und der „Gender Equalization” (1957-1973) kennzeichnen. Es zeigt sich, dass dauerhafte Monogamie auf dem Rückzug ist und serielle Monogamie zum vorherrschenden Lebensstil wird. Sexuell und/oder emotional devitalisierte Beziehungen sind vor allem in den älteren Generationen verbreitet; sie führen hier häufig zu Parallelbeziehungen, während sie in der jüngeren Generation eher rasch mit einer Trennung enden. Die Geschlechtsunterschiede in den sexuellen Lebensstilen haben sich in der jüngsten Generation abgeschliffen; so sind Parallelbeziehungen bei den jungen Männern nicht mehr häufiger als bei den jungen Frauen. Die finnischen Ergebnisse werden mit denen kleinerer Autobiographiestudien in St.Petersburg und Estland verglichen. Es finden sich nur geringe Unterschiede in den Lebensstilen dieser drei baltischen Regionen.

1 Aus dem Englischen von Arne Dekker, Hamburg

Literatur

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  • 11 Kontula O, Haavio-Mannila E. Intohimon hetkiä [Moments of passion]. Helsinki: WSOY; 1997
  • 12 Rotkirch A. The man question: Loves and lives in late 20th century Russia. Helsinki: University of Helsinki, Department of Social Policy; 2000
  • 13 Weigert A J. Mixed emotions. Certain steps toward understanding ambivalence. >”Albany, N.Y.: State University of New York Press; 1991

1 Aus dem Englischen von Arne Dekker, Hamburg

2 Der Begriff „Gender Equalization”, den die Autoren einführen, beschreibt besser den hier gemeinten sozialen Prozess als die deutsche Übersetzung „Geschlechterangleichung”. Wir behalten ihn daher bei (Anm. d. Übers.).

3 In unseren Survey-Daten ist die „zufriedene Monogamie” deutlich häufiger als in den Autobiographien. Die Diskrepanz der qualitativen und der quantitativen Daten liegt zumindest teilweise in der unterschiedlichen Klassifikation der Lebensstile begründet. Bei der Einschätzung des vorrangigen sexuellen Lebensstils der Autobiographen verfügten wir über mehr und vielschichtigere Informationen. Aber die Differenz zwischen qualitativen und quantitativen Ergebnissen weist vermutlich auch auf eine Selbstselektion derjenigen hin, die zum Schreiben ihrer sexuellen Autobiographien bereit waren. So waren Menschen, die zufrieden monogam leben und damit dem kulturellen Ideal folgen, offenbar seltener an einer Teilnahme interessiert als jene, deren Lebensstile sich von „normalen” sexuellen Lebensläufen unterscheiden.

Elina Haavio-Mannila Ph.D 

Department of Sociology

Box 18

FIN-00014 University of Helsinki

Email: elina.haavio-mannila@helsinki.fi

Osmo Kontula Ph.D 

The Population Research Institute · The Family Federation of Finland

P.O. Box 849

FIN-00101 Helsinki

Email: Osmo.Kontula@vaestoliitto.fi

Anna Rotkirch Ph.D 

Helsinki Collegium for Advanced Studies

P.O. Box 4

FIN-00014 University of Helsinki

Email: anna.rotkirch@helsinki.fi

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