Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2017; 52(09): 618-629
DOI: 10.1055/s-0042-120229
Topthema
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Massenanfall von Verletzten – Besonderheiten von „bedrohlichen Lagen“

Mass casualty incident – special features of “threatening situations”
Björn Hossfeld
,
Thomas Wurmb
,
Florent Josse
,
Matthias Helm
Further Information

Publication History

Publication Date:
08 September 2017 (online)

Zusammenfassung

Terroristische Anschläge oder Amokläufe können Notärzte, Rettungsdienste, Feuerwehren und Katastrophenschutz in „bedrohliche Lagen“ bringen. Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist dabei von herausragender Bedeutung. Um die Gefährdung für Hilfskräfte und Betroffene so gering wie möglich zu halten, richtet sich die notfallmedizinische Versorgung nach einsatztaktischen Grundsätzen. Als oberste Strategie bei solchen „bedrohlichen Lagen“ gilt: „Stopp the bleeding and clear the scene“. Die Polizei unterscheidet drei Gefährdungsbereiche: unsicher, teilsicher und sicher. Die Versorgung in diesen Bereichen folgt dem Konzept des Tactical Combat Casualty Care. Während im unsicheren Bereich ausschließlich Polizei eingesetzt werden sollte, kann nach entsprechenden Absprachen der Rettungsdienst im teilsicheren Bereich agieren. Sicherheit wird unter Umständen erst in Notaufnahmen erreicht, die durch verschiedene Maßnahmen zu sicheren Bereichen gemacht werden sollen.

„Bedrohliche Lagen“ durch Amokläufe oder terroristische Anschläge gewinnen für den Rettungsdienst zunehmend an Bedeutung. Die Strategie und die notfallmedizinische Versorgung in solchen Lagen orientieren sich am Tactical Combat Casualty Care des Militärs. Die AG „Taktische Medizin“ des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Notfallmedizin der DGAI beschreibt in diesem Beitrag wesentliche Kriterien für ein abgestimmtes Vorgehen in „bedrohlichen Lagen“.

Abstract

Terrorist attacks or amok runs may cause “threatening situations” for emergency medical services (EMS), fire fighters and physicians. Cooperation with the police is of paramount importance. In order to minimize the risk to rescue personnel and affected persons, emergency medical care has to follow tactical principles. So, the strategy in such “threatening situations” is “Stop the bleeding and clear the scene”. The police define three areas of danger: unsafe, partly safe and secure. Medical care in these areas follows the concept of Tactical Combat Casualty Care. While only police should act in the unsafe area, the EMS can operate in the partly safe area after appropriate arrangements. Safety may only be achieved in emergency departments, which have to be made to secure areas by certain measures.

The task force “Tactical Medicine” of the Scientific Working Group Emergency Medicine of the German Association for Anesthesiology and Intensive Care describes in this article essential criteria for a coordinated approach in “threatening situations”.

Kernaussagen
  • Als Strategie hinter allen taktischen Überlegungen steht „Stopp the bleeding and clear the scene“.

  • Das Leitstellenpersonal muss sensibilisiert sein, „bedrohliche Lagen“ zu erkennen und nach einem Einsatzplan zu alarmieren.

  • Die Einsatzzentrale der Polizei und die integrierte Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst senden frühzeitig Verbindungspersonen in den jeweils anderen Führungsbereich.

  • Die Kontrolle des oder der Täter durch die Polizei wird zur Voraussetzung für die Patientenrettung.

  • Das Einsatzgebiet wird in Gefahrenbereiche (unsicher, teilsicher, sicher) eingeteilt; ein Einsatz des Regelrettungsdienstes in unsicheren Bereichen soll vermieden werden.

  • Im teilsicheren Bereich sollen rettungsdienstlich besetzte und polizeilich geschützte Patientenablagen entstehen.

  • Patienten und Betroffene müssen auf Waffen untersucht und ggf. entwaffnet werden.

  • Die Patientenversorgung richtet sich abhängig von den Gefahrenbereichen nach dem militärischen „Tactical Combat Casualty Care“.

  • Anstatt prähospital Behandlungsplätze zu installieren, sollen Notfallaufnahmen zu möglichst sicheren Infrastrukturen gemacht werden.