Z Sex Forsch 2016; 29(01): 57-61
DOI: 10.1055/s-0042-102443
Debatte
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Expertendiskussion der Begutachtung nach dem Transsexuellengesetz

Bernd Meyenburg
a   Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Universitätsklinikum Frankfurt
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
23 March 2016 (online)

Kürzlich haben Karin Renter-Schmidt, Gunter Schmidt und ich in dieser Zeitschrift die Ergebnisse einer Studie über die Begutachtung nach dem so genannten Transsexuellengesetz (TSG) dargestellt (Meyenburg et al. 2015). Wir haben 670 in den Jahren 2005 bis 2014 erstellte Gutachten ausgewertet. In weniger als 1 % wurde eine Ablehnung des Antrags auf Vornamens- und Personenstandsänderung (VÄ und PÄ) empfohlen bzw. die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen als nicht gegeben angesehen. Erstmalig standen in dieser Studie Gutachten im Zentrum, während zuvor ausschließlich Gerichtsbeschlüsse seit Inkrafttreten des TSG im Jahr 1981 untersucht worden sind.

Osburg und Weitze (1993) berichteten über 534 Gerichtsentscheidungen zwischen 1981 und 1990 mit einer Ablehnungsquote von 8,4 %. Meyer zu Hoberge (2009) berichtete über eine Ablehnungsrate von 4,6 % bei 2.484 Gerichtsentscheidungen von 1991 bis 2000. Die fallende Tendenz der Ablehnungen hat sich in dem von uns untersuchten Zeitraum von 2005 bis 2014 fortgesetzt und uns zu dem Vorschlag veranlasst, das TSG in seiner jetzigen Form aufzuheben und durch eine Karenzlösung zu ersetzen, die die kostenreiche und letztlich unnötige Begutachtung überflüssig macht. Solche Forderungen wurden bereits von Sigusch (1991), Pfäfflin (2011), Güldenring (2013) und Schmidt (2013) gestellt, wobei einige Autor_innen auch ein reines Antragsverfahren ohne Begutachtung und Karenzzeiten empfohlen haben.