Gesundheitswesen 2016; 78(01): 42-48
DOI: 10.1055/s-0034-1390421
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Regionale Deprivation in Deutschland: Bundesweite Analyse des Zusammenhangs mit Mortalität unter Verwendung des ‚German Index of Multiple Deprivation (GIMD)‘

Regional Deprivation in Germany: Nation-wide Analysis of its Association with Mortality Using the German Index of Multiple Deprivation (GIMD)
C. Hofmeister
1   Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG Epidemiologie & International Public Health, Universität Bielefeld, Bielefeld
,
W. Maier
2   Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Neuherberg
,
A. Mielck
2   Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Neuherberg
,
L. Stahl
1   Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG Epidemiologie & International Public Health, Universität Bielefeld, Bielefeld
,
J. Breckenkamp
1   Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG Epidemiologie & International Public Health, Universität Bielefeld, Bielefeld
,
O. Razum
1   Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG Epidemiologie & International Public Health, Universität Bielefeld, Bielefeld
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. Februar 2015 (online)

Zusammenfassung

Einleitung: Die Verwendung von Deprivationsindizes zur Ermittlung von kontextuellen Effekten auf die Gesundheit gewinnt zunehmend an Bedeutung. In Deutschland existiert mittlerweile mit dem ‚German Index of Multiple Deprivation (GIMD)‘ ein Index, der verschiedene Dimensionen regionaler Deprivation integriert. Unser Ziel ist es, die Aussagekraft des GIMD durch eine bundesweite Neuberechnung mit aktuelleren Daten auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte sowie durch die hier erstmalig durchgeführte bundesweite Analyse des Zusammenhangs mit der Mortalität zu prüfen.

Methodik: Auf Basis der 412 Landkreise und kreisfreien Städte wurde eine neue Version des GIMD auf Basis von Daten aus den Jahren 2007–2010 erstellt. Für die Angaben zur Mortalität wurden indirekt standardisierte Mortalitätsratios (SMRs) berechnet. Mithilfe von Korrelationsanalysen und Poisson-Regressionen wurde der Zusammenhang zwischen den GIMD-Scores und der Gesamtmortalität bzw. der vorzeitigen Mortalität (< 65 Jahre) berechnet.

Ergebnisse: Die Korrelationsanalysen zeigen einen positiven Zusammenhang zwischen dem GIMD und der Gesamtmortalität bzw. der vorzeitigen Mortalität (jeweils p<0,001). Bei den Poisson-Regressionen zeigen die Kreise im Quintil mit der höchsten Deprivation (gegenüber dem Quintil mit der geringsten Deprivation) ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko, sowohl für Gesamtmortalität (RR: 1,29; 95% KI: 1,28–1,30) als auch für vorzeitige Mortalität (RR: 1,50; 95% KI: 1,47–1,53).

Schlussfolgerung: Der bereits für das Land Bayern gezeigte Zusammenhang zwischen Mortalität und regionaler Deprivation konnte (mit aktuelleren Daten) erstmalig auch für das gesamte Bundesgebiet gezeigt werden. Aus methodischer Sicht ist hervorzuheben, dass der GIMD offenbar gut zur Erfassung der regionalen Deprivation geeignet ist. Aus inhaltlicher Sicht ist zu betonen, dass der signifikant positive, stabile Zusammenhang zwischen regionaler Deprivation und Mortalität auf einen erhöhten Versorgungsbedarf vor allem in den deprivierten Kreisen hinweist. In weiteren Analysen sollte z. B. untersucht werden, ob und in welchem Zeitraum sich die Zuweisung der Kreise zu den Deprivations-Quintilen verändert und welche Änderungen in der Mortalität damit verbunden sind.

Abstract

Background: Deprivation indices are increasingly being used to assess the effects of contextual factors on health. In Germany, the recently developed ‘German Index of Multiple Deprivation (GIMD)’ integrates various dimensions of regional deprivation. We aim to assess the validity of the GIMD through a recalculation using more recent rural and urban district level data and by analysing its association with mortality at the national level.

Methods: We calculated a new version of the GIMD based on data from 2007 to 2010 for all 412 rural and urban districts in Germany. Mortality was quantified using indirectly standardised mortality ratios (SMRs). Correlation analyses and Poisson regression analyses were used to assess the association between the GIMD scores and total mortality, as well as premature mortality (< 65 years).

Results: Correlation analyses showed a positive association between the GIMD and both total mortality (p<0.001) and premature mortality (p<0.001). In the Poisson regression analyses, rural and urban districts in the quintile with the highest deprivation showed a significantly elevated risk of total mortality (RR: 1.29; 95% CI: 1.28–1.30) as well as premature mortality (RR: 1.50; 95% CI: 1.47–1.53), compared to the districts in the lowest quintile.

Conclusion: The association between regional deprivation and mortality has already been shown for the federal state of Bavaria. Using more recent data, this relationship could be confirmed here for Germany as a whole. The GIMD has been shown to be able to effectively assess regional deprivation. Concerning public health policy, the significant, positive and stable association between regional deprivation and mortality indicates an increased need for health care provision particularly in the most deprived districts. Further studies should examine, for example, whether and how the allocation of districts to quintiles of regional deprivation changes over time, and how this affects mortality.