Aktuelle Ernährungsmedizin 2012; 37 - P3_6
DOI: 10.1055/s-0032-1312517

Nutritional risk screening (NRS-2002) – geeignet für die Einschätzung des postoperativen Risikos nach abdominalchirurgischen Eingriffen?

D Kuppinger 1, WH Hartl 1, M Bertok 1, JM Hoffmann 1, J Cederbaum 2, H Küchenhoff 2, KW Jauch 1, P Rittler 1
  • 1LMU-München, Chirurgie, Campus Großhardern, München, Germany
  • 2LMU-München, Institut für Statistik, München, Germany

Zielsetzung: Zur Erkennung des Risikos für eine Mangelernährung empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin ein Screening-Instrument (Nutritional risk screening NRS-2002). Die vorliegende Studie wollte untersuchen, ob die präoperative Patientenbeurteilung anhand des NRS 2002 eine Vorhersage des postoperativen Komplikationsrisikos erlaubt. Die Wertigkeit des NRS 2002 sollte dabei auch speziell im Kontext von etablierten internistischen, anästhesiologischen sowie chirurgischen Risikofaktoren untersucht werden.

Methodik: In diese prospektive Beobachtungsstudie wurden konsekutiv Patienten vor elektiven abdominal-chirurgischen Eingriffen eingeschlossen. Die Datenerhebung umfasste ernährungsmedizinische Variablen (Body Mass Index, Ausmaß des präoperativen Gewichtsverlustes, Höhe der Nahrungszufuhr vor Krankenhausaufnahme), Alter, Geschlecht, Art bzw. Ausmaß des Eingriffs, Grunderkrankung, ASA Grad sowie Ko-Morbidität. Speziell untersucht wurde dabei die Wertigkeit des NRS 2002, wobei auch spezielle Modifikationen betrachtet wurden (Rohwerte des Scores, 3-stufiger Score, 4-stufiger Score). In einer getrennten Analyse wurden auch die dem Score zugrunde liegenden einzelnen Variablen ausgewertet. Die statistische Analyse basierte auf multiplen logistischen Regressionsmodellen.

Ergebnisse: 635 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen. 132 (20,2%) entwickelten postoperativ eine oder mehrere Komplikationen. Das statistische Modell ergab die beste Prognose, in dem die Variablen, die dem NRS 2002 zugrunde liegen, als Einzel-Parameter ausgewertet worden waren. Aus ernährungsmedizinischer Sicht war dabei die Höhe der Nahrungszufuhr vor Krankenhausaufnahme der beste Prädiktor. Andere Risikofaktoren waren ein hoher ASA Grad, männliches Geschlecht, eine bösartige Grunderkrankung, das Ausmaß des operativen Traumas sowie die Menge der intraoperativ verabreichten Erythrozytenkonzentrate.

Schlussfolgerung: Vor abdominal-chirurgischen Eingriffen ist die Anamneseerhebung bzgl des präoperativen Eßverhaltens ausreichend, um aus ernährungsmedizinischer Sicht das postoperative Komplikationsrisiko abzuschätzen. Das ernährungsmedizinische Risiko ist jedoch im Hinblick auf die präzise Prognose des Gesamtrisikos nicht ausreichend und nur von untergeordneter Bedeutung. Das Gesamtrisiko wird durch internistische, anästhesiologische sowie chirurgische Risikofaktoren dominiert.