Aktuelle Neurologie 2011; 38 - P44
DOI: 10.1055/s-0031-1276549

Änderung des spastischen Musters – Folge der Therapie mit Botulinumtoxin A?

I. Reuter 1, S. Mehnert 1, A. Schöne-Adibo 1, M. Kaps 1
  • 1Gießen

Der klinische Verlauf von 7 Patienten mit Beugeadduktionsspastik des Armes nach Schlaganfall wird berichtet, die im Laufe der Therapie eine Streckspastik des Armes entwickelten.

Methodik: 7 Patienten im Alter von 56,8 Jahren wurden über 2 Jahren dokumentiert. Ziel der BoNT A-Behandlung der oberen Extremität war eine willentliche Streckung des Ellenbogen- und Handgelenks zu erreichen und einfache Greiffunktionen auszuführen. Die Injektionen erfolgten im 3-Monatsintervall.

Ergebnisse: Die erste Behandlung der Pat. erfolgte 7,6±4 Monate nach Schlaganfall. Alle 7 Patienten zeigten eine schwer ausgeprägte Beugeadduktionspastik des Armes mit gefausteter Hand und eingeschlagenem Daumen. Die Sensibilität des betroffenen Armes war bei allen Pat. erhalten. Aufgrund der schweren Spastizität wurden bei der ersten Behandlung d.500 Einheiten BoNT A eingesetzt. Folgende Muskeln wurden injiziert: M. pectoralis, M. biceps brachii, M. brachioradialis, M. flex. carpi rad., M. flex. carpi uln.; M. flex. dig. superf., M. flex. dig. prof., M. flex. pollicis brevis. Aufgrund unzureichender Wirkung wurde bei 5 Patienten die Dosis erhöht, die maximale Dosis betrug 680 Einheiten. 4 Patienten erreichten das aktive Behandlungsziel nach 4 Behandlungen, 3 Patienten eine Halte- und Stützfunktion der Hand. Alle Patienten trainierten die Handfunktion c.60min/Tag. Zwischen der 6. und 8. Behandlung berichteten die Patienten von einer schlechteren Wirkung des BoNT A. Die Untersuchung zeigte einen zähen Widerstand beim Beugen und beim Strecken des Armes. Die BoNT A-Dosis im M. biceps brachii wurde reduziert, der M. brachioradialis nicht injiziert. Bei der nächsten Vorstellung zeigten sich ein ausgeprägter Strecktonus im Ellenbogen, eine Dorsalextension des Handgelenkes und eine Beugung in den Fingergrundgelenken. Das Injektionsmuster wurde geändert und folgende Muskeln injiziert: M. pectoralis, M. triceps brachii, M. extensor carpi rad. und uln., M. flex. dig. prof., Mm lumbricales, M. flex. pollicis brevis. Die Änderung des Injektionsschemas führte wieder zu einer verbesserten Funktion.

Diskussion: Die hier beobachtete Änderung des spastischen Musters wurde von uns zuvor nicht beobachtet. Alle Patienten waren relativ jung, zeigten eine schwere Spastik, wurden mit sehr hohen Dosen BoNT A behandelt und trainierten sehr viel. Bisher ist es uns nicht möglich zu identifizieren, welcher Faktor die entscheidende Rolle für die beobachtete Änderung des Musters verantwortlich war.