Zahnmedizin up2date 2011; 5(3): 247-260
DOI: 10.1055/s-0030-1271001
Endodontologie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einzeitige versus zweizeitige Wurzelkanalbehandlung

Sebastian Bürklein, Edgar Schäfer
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Publication Date:
21 July 2011 (online)

Einleitung

Das Ziel einer Wurzelkanalbehandlung ist der langfristige Erhalt des entsprechenden Zahnes als funktionsfähige Einheit zur Mastikation und die Erhaltung oder Wiederherstellung gesunder periapikaler Strukturen [[1], [2]]. Dafür ist eine suffiziente Präparation, Desinfektion und Obturation des Kanalsystems notwendig. Die Anzahl der Sitzungen, um insbesondere infizierte Wurzelkanäle zu behandeln, ist eine der umstrittensten Fragen in der Endodontie [[2], [3]].

Die einzeitige Wurzelkanalbehandlung hat einige mögliche Vorteile gegenüber der mehrzeitigen Vorgehensweise. Neben einer Kosten- und Zeitersparnis ist zusätzlich die potenzielle Gefahr einer möglichen Rekontamination des Wurzelkanalsystems durch ein koronales Leakage der temporären Versorgung zu berücksichtigen.

Merke: Bei Wurzelkanalbehandlungen nach Vitalexstirpation gibt es einen eindeutigen Konsens, dass die Behandlung idealerweise in nur einer Sitzung zum Abschluss gebracht werden sollte, sofern die zeitlichen Rahmenbedingungen sowie die klinischen Verhältnisse dies zulassen [[4]].

Bereits aus dem 19. Jahrhundert sind einzeitige Wurzelkanalbehandlungen dokumentiert [[5]], und noch immer ist ein Ende der Diskussion nicht in Sicht, zumal eine zusätzliche Desinfektion des Kanalsystems durch medikamentöse Einlagen nach wie vor postuliert wird [[6], [7]]. Hierbei kommen Kalziumhydroxid und Chlorhexidin als geeignete Präparate am häufigsten zur Anwendung [[8], [9]].

Zur Beantwortung der Frage, ob nun das einzeitige oder aber ein mehrzeitiges Vorgehen vorteilhaft sei, wurden und werden klinische Erfolgsraten, mikrobiologische Aspekte und postoperative Beschwerden in mehreren Studien bewertet, ohne jedoch einen gravierenden Unterschied zwischen beiden Konzepten feststellen zu können. Die neuesten Studien belegen, dass es weder bezüglich der Heilungsrate [[10]–[12]] noch hinsichtlich des Auftretens von postoperativen Beschwerden bzw. Flare-ups [[11], [13]] signifikante Unterschiede zwischen den beiden Strategien gibt. Insofern sind offensichtlich andere Kriterien zur individuellen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.

Merke: Bei der sicheren Diagnose eines nicht mikrobiell besiedelten Endodonts, wie dies bei einer Vitalexstirpation der Fall ist, kann aus biologischen Gründen auf eine medikamentöse Einlage eindeutig verzichtet werden.

Ätiologie der Pulpitiden

Zähne sind zeitlebens in der Mundhöhle mannigfaltigen Einflüssen ausgesetzt, die direkt und/oder indirekt auf den Gefäß-Nerv-Komplex wirken können. Bei Entstehung einer Pulpaerkrankung kommen Infektion, mechanische Ursachen (z. B. Trauma), thermische, osmotische und chemisch-toxische Reize infrage. In Abhängigkeit der Einwirkdauer des Reizes und der Regenerationsfähigkeit der Pulpa – die Reize wirken im Laufe des Lebens akkumulierend – kann es bei Ausschaltung der Noxe zu einer vollständigen Ausheilung der Pulpitis kommen (reversible Pulpitis).

Die mit Abstand häufigste Ursache ist die Schädigung der Pulpa durch eine Karies (≥ 95 %) (Abb. [1]). Mit Durchbruch der Karies durch den Schmelzmantel wird der Dentin-Pulpa-Komplex in den kariösen Prozess involviert, und so können bakterielle Toxine und Antigene über die Dentinkanälchen zu den Fortsätzen der Odontoblasten gelangen.

Abb. 1 Abläufe im Dentin-Pulpa-Komplex bei der Schädigung durch Karies.

Dies führt zu reaktiven Veränderungen der Pulpa mit Einwanderung von Entzündungszellen kombiniert mit einer Proliferation der lokalen Blutgefäße und der Bildung von Reizdentin [[14]]. Bei Fortbestehen der Noxe geht die Entzündung in ein akutes Stadium über, was auch bei einer bis dahin klinisch unauffälligen chronischen Entzündung eintritt. Die Einwanderung von neutrophilen Granulozyten mit der Ausbildung von Mikroabszessen im Pulpagewebe ist die Folge der Bakterientoxine und letztlich mündet jede Pulpitis bei Zutritt von Bakterien in eine infizierte Nekrose der Pulpa.

Sofern also eine irreversible Pulpitis vorliegt, ist die Vitalerhaltung der Pulpa ausgeschlossen – wenn man von den neuesten Entwicklungen der regenerativen Endodontie bei bleibenden Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum absieht. Vereinfacht zusammengefasst gibt es also nur 2 verschiedene Arten der pulpalen Erkrankungen:

  • die Pulpitiden, bei denen die Pulpa noch vital, aber entzündlich verändert ist,

  • die Pulpanekrose, bei der sich in nahezu allen Fällen die Infektion auf das gesamte Endodont erstreckt und – erschwerend – zumeist mit periapikalen osteolytischen Prozessen verbunden ist.

So stellt klinisch in erster Linie die Aufbereitung und Desinfektion des Wurzelkanalsystems bei der infizierten Nekrose die eigentliche Herausforderung dar, was sich in den gegenüber der Vitalexstirpation niedrigeren Erfolgsraten widerspiegelt.

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Dr. Sebastian Bürklein

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