Aktuelle Ernährungsmedizin 2010; 35 - VS1
DOI: 10.1055/s-0030-1254559

Entscheidungen über Therapiebegrenzung auf der Intensivstation

D Dörr 1
  • 1Uniklinik Köln, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Köln, Germany

Fragen nach den Grenzen der Anwendung von medizinischem Können und medizinischer Technik sind eng an Überlegungen nach den Zielsetzungen dieser Maßnahmen geknüpft. Dabei sind Interventionen in Bezug auf ihre Nutzen- oder Schadensschätzungen zu hinterfragen. Es wird primär die Auswirkung einer Therapie auf die Lebenserwartung und/oder Lebensqualität des Patienten bewertet. Die Evaluation der Lebensqualität eines Menschen genügt allerdings erst dann ethischen Anforderungen, wenn als Bewertungsgrundlage die Wertvorstellungen des Betroffenen herangezogen werden. Neben der vom Arzt zu treffenden medizinischen Indikation gilt der Patientenwille als Handlungsorientierung bei der Entscheidung über Behandlungsoptionen – z.B. einer PEG-Anlage. In der Praxis wird die Therapiebegrenzung durch eine Therapiezieländerung von der kurativen zur palliativen Patientenversorgung bestimmt. Dies schließt Überlegungen über die Art der Einstellungsmaßnahmen ein; im Vordergrund steht die Leidenslinderung [3]. Die Einteilung nach Sterbehilfekategorien, an denen man sich nach wie vor in der Medizin wie auch im Strafrecht orientiert, führt hier mitunter zu folgeträchtigen Missverständnissen, da sie an der klinischen Wirklichkeit vorbei geht. Ein grundsätzliches Problem in der Entscheidungssituation stellt die Tatsache dar, dass ein aktives Eingreifen in eine Situation vom Handelnden anders wahrgenommen und somit anders bewertet wird als das passive Zulassen oder Abwarten. Für die moralische Beurteilung von Handlungen besteht jedoch kein Unterschied zwischen aktivem Eingreifen und passivem Geschehenlassen da Handeln das Unterlassen einschließt [2]. Zur Lösung ethischer Entscheidungskonflikte wird mitunter auf einen Begründungsansatz zurückgegriffen, der auf den bioethischen Prinzipien: Autonomie, Benefizienz, Nichtschädigung und Gerechtigkeit basiert [1]. Gerade in Zusammenhag mit kasuistischen Methoden kann diese Prinzipienethik helfen, konsensfähige Konfliktlösung in der Praxis zu erreichen. Neben der Zielgröße Lebensqualität sollte die Diskussion über Parameter der Sterbensqualität in der Intensivmedizin einen angemessenen Platz finden.

Literatur: [1] Beauchamp TL, Childress JF (2008) Principles of Biomedical Ethics (6. ed.). New York. [2] Birnbacher D (2006) Bioethik zwischen Natur und Interesse. Frankfurt. [3] Bundesärztekammer (2008) Sterben in Würde. Grundsätze zur Sterbebegleitung. Berlin.