Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P806
DOI: 10.1055/s-0029-1238898

Asymptomatische Karotisstenose – geringes Schlaganfallrisiko bei optimaler medikamentöser Therapie: populationsbasierte Studie

L Marquardt 1, PM Rothwell 1
  • 1Oxford, UK

Hintergrund: In früheren Studien der 80er und 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde das durchschnittliche jährliche Risiko, einen Schlaganfall im Territorium einer ≥50%igen Karotisstenose zu erleiden, mit ungefähr 3% angegeben. Aus Veröffentlichungen der letzten Jahre ergeben sich einige Hinweise, dass das Schlaganfallrisiko von Patienten, die rein medikamentös behandelt werden, in den letzten 20 Jahren gesunken ist. Leider gibt es bislang wenig prognostische Studien, die dieser Frage in einem populationsbasierten Setting nachgehen.

Methoden: In unserer prospektiven populationsbasierten Studie wurden von April 2002 bis März 2009 Patienten mit einer ≥50%igen Karotisstenose eingeschlossen. Alle Patienten wurden zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses wegen eines ischämischen zerebralen Insults in einem anderen vaskulären Territorium behandelt. Es fanden über den gesamten Studienzeitraum engmaschige Nachuntersuchungen mit Überprüfung der Compliance statt.

Ergebnisse: Von 1203 untersuchten TIA- und/oder Schlaganfall-Patienten hatten 101 (8,4%) eine ≥50%ige asymptomatische Karotisstenose. Während des Nachbeobachtungszeitraums von insgesamt 302 Patienten-Jahren wurde bei nur einem Patienten eine Endarterektomie durchgefuehrt. Es gab 6 vaskuläre ischämische Ereignisse im Versorgungsgebiet einer asymptomatischen Stenose; 1 Schlaganfall (initial 50% stenosiert) und 5 TIAs (2 initial 50–69% stenosiert; 3 initial 70–99% stenosiert). Das durchschnittliche jährliche Risiko, einen ipsilateralen Schlaganfall zu erleiden, war 0,34% (95% KI 0,01–1,87) und 1,78% (0,58–4,16) für eine ipsilaterale TIA.

Schlussfolgerung: In einer populationsbasierten Studie bezüglich des ipsilateralen Schlaganfallrisikos von Patienten mit einer ≥50%igen Karotisstenose unter optimaler medikamentöser Therapie war sehr gering. Obwohl die Konfidenzintervalle um unser errechnetes Risiko realtiv weit waren, bestätigen unsere Ergebnisse doch einen zeitliche Trend, der sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat. Sollte diese sehr gute Prognose unter medikamentöser Therapie in großen randomisierten Kontrollstudien bestätigt werden, wird es schwierig sein, routinemässige Interventionen für asymptomatische Karotisstenosen zu rechtfertigen.