Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P790
DOI: 10.1055/s-0029-1238882

L-Dopa und Enzephalitis lethargica/M. Parkinson

M Paulig 1
  • 1München

40 Jahre nach Beginn des Einsatzes von L-Dopa bei der Behandlung von Parkinsonerkrankungen ist die Substanz nach wie vor Gegenstand einer kontroversen Diskussion. Der oft stupenden Wirksamkeit im Verlauf der ersten Jahre steht das spätere Auftreten von unvorhersagbaren Wirkfluktuationen und Dyskinesien gegenüber („L-Dopa Spätsyndrom“). Das Zusammentreffen von initial wunderhafter Behandlungseuphorie und bitterer Enttäuschung über die folgende negative Wandlung hat wohl seine breiteste Resonanz gefunden durch die L-Dopa-Behandlung von Langzeiterkrankten nach Enzephalitis lethargica. Die Fallbeschreibungen von Oliver Sacks (Awakenings 1973) erweckten großes öffentliches Interesse, aber nur eine geringe Resonanz in der wissenschaftlichen Literatur. Die Enzephalitis lethargica, nach neueren Ergebnissen möglicherweise eine Autoimmunkrankheit, trat von 1916 bis etwa 1927 als weltweite Epidemie auf. Seither wird sie nur noch in sporadischen Fällen beschrieben. Ein Teil der Überlebenden entwickelte chronische Bewegungsstörungen. Ende der 60er Jahre galt L-Dopa als neue „Wunderdroge“: dramatische Erfolge wurden zunächst im Tierversuch (Carlsson 1957) und dann bei der Behandlung von Parkinsonpatienten publiziert (Cotzias 1967). Vor diesem Hintergrund führte Sacks 1969 eine von der FDA genehmigte L-Dopa Studie bei den postenzephalitischen Patienten durch. Die z.T. über 40 Jahre in tranceartiger Akinese verharrenden Patienten erlangten plötzlich eine gute Beweglichkeit und konnten ihre Erlebnisse kommunizieren. Allerdings hielt der „honeymoon“ vielfach nur kurz an. Es traten nicht vorhersagbare Fluktuationen, Dyskinesien und psychiatrische Probleme auf bis schließlich L-Dopa trotz höherer Dosierung seinen therapeutischen Effekt verlor. Sacks setzte sich kritisch mit den motorischen Komplikationen von L-Dopa auseinander und publizierte dazu auch Anfang der 70er Jahre in wissenschaftlichen Journalen. Er bemühte sich um eine individuell hermeneutische Herangehensweise und sah die unvorhersagbaren Komplikationen von L-Dopa nicht als einfache Nebenwirkungen der Substanz, sondern glaubte an ein Zusammenwirken mit persönlichen Merkmalen der Betroffenen. Er zog sogar chaostheoretische Überlegungen heran um hinter den scheinbar gesetzlosen Fluktuationen doch noch eine verborgene individuelle Regelhaftigkeit zu entdecken. Bis heute wurden vereinzelt weitere Kasuistiken über erfolgreiche dopaminerge Behandlungen bei sporadischen Encephalitis lethargica Fällen publiziert.