Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P682
DOI: 10.1055/s-0029-1238775

Veränderungen der visuell evozierten Kohärenz im EEG bei Patienten mit Multipler Sklerose

P Stude 1, I Nowak 1, O Höffken 1, M Lenz 1, M Tegenthoff 1, P Schwenkreis 1
  • 1Bochum

Hintergrund: Die Enkodierung höherer Funktionen des Zentralnervensystems und die Dechiffrierung sensorischen Inputs erfolgt über die Bereitstellung aufgabenspezifischer neuronaler Netzwerke, wobei neuronale Synchronisation das Funktionsprinzip dieser zentralnervösen Informationsverarbeitung darstellt. Bei Patienten mit Multipler Sklerose liegt pathophysiologisch u.a. eine Demyelinisierung zugrunde, sodass von funktionellen Störungen der an neuronalen Netzwerken beteiligten axonalen Verbindungen ausgegangen werden kann. Ziel der Untersuchung war der Nachweis gestörter neuronaler Synchronisation im visuellen System bei Patienten mit MS.

Methodik: Hierzu wurde bei 16 Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose (4m, 12 w, mittlerer EDSS 3,5) sowie bei 15 Kontrollprobanden ein 12-Kanal-EEG aufgezeichnet, während ein visueller Stimulus dargeboten wurde. Dieser bestand aus einer „klassischen“ Schachbrettmusterumkehr bei konstanter Gesamthelligkeit (Ganzfeld, binokular, Sehwinkel 6°, ISI 1s, 300 Stimuli). Die einzelnen Stimulusdurchgänge (-200 bis 1000ms) wurden überlappend in 136 Segmente segmentiert. Neben den VEPs wurde innerhalb jedes Segmentes die ortsbezogene Spektralpower und die Kohärenz (als Maß der funktionellen Kopplung) zwischen „intra“-okzipitalen und zwischen „intra“- und „extra“-okzipitalen“ Elektrodenpositionen berechnet.

Ergebnisse: Sowohl bei visuell evozierten Potentialen als auch der Spektralpower existierte kein Unterschied zwischen Patienten und Kontrollen. Vergleichbar war auch der zeitliche Verlauf der Kohärenz. Während die „intra“-okzipitale Kohärenz zunahm, nahm die „intra-extra“-okziptale Kohärenz ab. Unterschiedlich war jedoch das Ausmaß der Kohärenzänderungen. Bei den Patienten waren die „intra“-okzipitale Zunahme und die „intra-extra“-okzipitale Abnahme stärker ausgeprägt.

Schlussfolgerung: In der Kohärenzuntersuchung der MS-Patienten zeigt sich eine stärkere intraregionale okzipitale Kopplung und eine stärkere Entkopplung zu nicht an der visuellen Wahrnehmung beteiligten Arealen. Dieses kann als Zeichen einer Reorganisation als Reaktion auf die gestörte funktionelle Verknüpfung, welche an die nicht mehr vorhandene Integrität der axonalen Faservebindungen geknüpft ist, gewertet werden.

Die hier vorgestellte Kohärenzanalyse ist somit in der Lage, zumindest in der Gruppenanalyse einen elektrophysiologisch nachweisbaren Unterschied aufzuzeigen, der in den bislang eingesetzten VEPs nicht erfasst werden konnte.