Aktuelle Ernährungsmedizin 2010; 35(2): 57-67
DOI: 10.1055/s-0029-1223470
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ambulante ärztliche Betreuung von mangelernährten und künstlich ernährten Patienten im Rahmen eines integrierten Versorgungskonzepts

Integrierte Versorgung zur ambulanten Behandlung von MangelernährungAmbulatory Medical Care for Undernourished and Artificially Fed Patients as Part of an Integrated Care ApproachIntegrated Care for the Outpatient Treatment of MalnutritionS.  C.  Bischoff1 , S.  Mader1 , H.  Stähr2 , C.  Ernst2
  • 1Institut für Ernährungsmedizin (180), Universität Hohenheim, Stuttgart
  • 2Abt. Ökonomik und Management sozialer Dienstleistungen (530), Universität Hohenheim, Stuttgart
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. Februar 2010 (online)

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Zusammenfassung

Fragestellung Mangelernährung und künstliche Ernährung sind medizinische Herausforderungen, die zunehmend in den ambulanten Bereich verlagert werden. Die Schnittstelle zwischen Krankenhaus und Pflegeheim bzw. häuslicher Versorgung wird dabei zu einem sensiblen Bereich. In der ambulanten Versorgung von künstlich ernährten Patienten sind vielfach Defizite zu beobachten, die durch mangelnde Sachkenntnis, fehlende ärztliche Überwachung, Interessenkonflikte sowie unklare bzw. fehlende Kostenerstattung verursacht werden. In der vorliegenden Studie soll eine neuartige, strukturierte und integrierte Versorgung (IV) nach § 140 des Sozialgesetzbuchs V entwickelt werden. Material und Methoden Die Leistungen der IV wurden mittels detaillierter Behandlungspfade definiert. Anhand der Behandlungspfade wurden Zeitkontingente der beteiligten Berufsgruppen ermittelt und Kostenberechnungen durchgeführt. Ergebnisse Ein Hauptbehandlungspfad und 8 Unterbehandlungspfade (Eingangsuntersuchung lang und kurz, Ernährungsberatung bei Mikro- bzw. Makronährstoffmangel, enterale Ernährung, parenterale Ernährung, kombinierte künstliche Ernährung und Patientensituation zu Hause) wurden entwickelt, anhand derer 3 exemplarische Patienten (mit oraler, enteraler und parenteraler Ernährung) beispielhaft versorgt werden. Die darauf basierende Kostenrechnung zeigt, dass die tatsächlichen Kosten für die medizinische und organisatorische Betreuung der Patienten durchschnittlich 85 % (17–179 %) höher liegen als die bisherige Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem derzeit aktuellen „einheitlichen Bewertungsmaßstab”. Schlussfolgerung Die hier entwickelte IV erlaubt eine fächerübergreifende, ärztlich geleitete Versorgung nach den Vorgaben der aktuellen ernährungsmedizinischen Leitlinien mit adäquater Abrechnung und neuen Möglichkeiten des Qualitätsmanagements. Weiterhin ermöglicht sie erstmals eine ökonomische Analyse der ambulanten künstlichen Ernährung und damit möglicherweise eine Bestätigung ausländischer Berichte zur Effizienz ambulanter Ernährungsteams für künstliche Ernährung auch für Deutschland.

Abstract

Purpose Malnutrition and artificial nutrition are medical challenges that are increasingly relocated in the outpatient area. The interface between hospital and nursing home care or home care becomes a sensitive area. Deficits are often observed in the ambulatory care of artificially fed patients. These deficits are caused by lack of expertise, lack of medical supervision, conflicts of interest, and unclear or lack of reimbursement. In the present study we aimed to develop a novel, structured and integrated care (integrierte Versorgung”, IV) according to § 140 of the German Social Code V. Materials and method The benefits of IV have been defined by means of detailed treatment paths. Based on the treatment paths we determined time contingents of the occupational categories and carried out cost calculations. Results A main path and 8 sub-paths (initial examination short / long, diet counseling in micro-and macro-nutrient deficiency, enteral nutrition, parenteral nutrition, combined artificial nutrition, and patients situation at home) have been developed, from which 3 representative patients (with oral, enteral and parenteral nutrition) served as exemplary patients. The resulting accounting shows that the real cost of medical and organizational care of patients is in average 85 % (17–179 %) higher than the current reimbursement under the German rules. Conclusion This IV device allows a multidisciplinary, physician-led care in accordance with the requirements of the current nutritional medicine guidelines with adequate medical billing and new ways of quality management. Furthermore, it enables for the first time an economic analysis of ambulatory artificial nutrition and thus may allow the confirmation also for Germany of foreign reports on the effectiveness of outpatient nutrition teams for artificial nutrition.

Literatur

Prof. Dr. med. Stephan C. Bischoff

Institut für Ernährungsmedizin (180), Universität Hohenheim

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