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DOI: 10.1055/s-0028-1094289
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Valium-Sucht*
Eine Analyse anhand von 8 FällenPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
20. Januar 2009 (online)

Zusammenfassung
Eine süchtige Abhängigkeit von Tranquilizern der Benzodiazepin-Gruppe gilt als seltene Komplikation. Bisher sind nur vereinzelte Fälle bekanntgeworden. Dieser Eindruck scheint im Widerspruch zu den mittlerweile angewachsenen praktischen Erfahrungen zu stehen. In relativ kurzer Zeit konnten 8 Diazepam-Süchtige beobachtet werden, bei denen zwar eine alternierende oder gleichzeitige Affinität zu Alkohol bestand, das klinische Bild jedoch eindeutig durch die Diazepam-Süchtigkeit gekennzeichnet war. Übereinstimmend liegt eine Sucht vom Alkohol-Barbiturat-Typ entsprechend den Ausführungen der Expertenkommission der WHO (1964) vor. Die Suchtbedingungen weisen im Vergleich zu dem geläufigen Bild des Toxikomanen bemerkenswerte Unterschiede auf. Fast ausnahmslos handelt es sich um Angstneurotiker, die mangels adäquater Behandlung Diazepam allen anderen Psychopharmaka und geläufigen Suchtmitteln vorzogen, wobei die spezifische Wirkung des Diazepam auf die neurotische Symptomatik eine süchtige Gewöhnung verursachte. Die Abhängigkeit weist alle klassischen Kriterien einer Sucht auf mit Tendenz zur außergewöhnlichen Dosissteigerung, psychischer und physischer Abhängigkeit einschließlich Entziehungserscheinungen. Die durchschnittlichen Tagesdosen liegen bei 60 bis 80 mg. Eine weitere Steigerung wird offenbar durch mehrere Faktoren begrenzt, wie Nebenwirkungen in Form zunehmender muskelrelaxierender Effekte, unerwünschter Sedation sowie Skrupeln hinsichtlich der subjektiv unüberwindlichen Abhängigkeit. Versuche einer Selbstentziehung scheitern meist an dem Ausbrechen einer profusen übersteigerten Angst. Diese sowie andere psychische und somatische Entziehungserscheinungen machen in der Regel eine klinische Behandlung erforderlich.
* Dem Andenken von Prof. Dr. med. Dr. phil. Nikolaus Petrilowitsch gewidmet.
Summary
Drug-dependence of minor tranquilizers, which belong to the benzodiazepine-derivates, especially of diazepam is said to be a rare complication. Hitherto only isolated cases have been published. This impression seems to be in contrast to the steadily growing practical experiences. In a relatively short time 8 patients being dependent of diazepam could be observed; although these patients had an alternating or synchronous inclination to alcohol, the clinical picture clearly showed a diazepam-dependence. In all cases there was a drug dependence of barbiturate-alcohol typ according to the definition of WHO expert committee on addiction producing drugs (1964). The conditions are different as compared with the wellknown picture of toxicomania. Almost without exception patients with anxiety neurosis were concerned, who in the absence of an adequate therapy preferred diazepam to current psychotropic and dependence-producing drugs, the special effect of diazepam on neurosis-symptoms causing an addictive habituation. The drug-dependence shows all classical criteria of addiction, including a tendency of increasing the dosis, psychic and physical dependency with withdrawal-symptoms. The average daily dosis is 60–80 mg. Further increase is obviously limited by several factors such as side-effects in the form of an increasing muscle relaxation, undesired sedation, and scruples about the unvincible dependency. Any effort of a self-withdrawal fails because of the outbreaking of an abundant anxiety. Such symptoms as well as other psychic and somatic withdrawal-symptoms in general make a clinical treatment necessary.