Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P766
DOI: 10.1055/s-0028-1087020

Der Einsatz eines Handkoagulometers beschleunigt und verbessert das Notfallmanagement von oral antikoagulierten Schlaganfallpatienten

T Rizos 1, R Veltkamp 1
  • 1Heidelberg

Hintergrund: Beim akuten ischämischen (IS) und hämorrhagischen (HS) Schlaganfall ist die Zeit zwischen Symptombeginn und Therapiestart von größter Bedeutung. Mit oralen Antikoagulantien (OAK) behandelte Patienten stellen eine Herausforderung dar, da eine INR>1,5 eine Thombolysekontraindikation bei IS ist bzw. Coumarin-assoziierte Blutungen eine schlechte Prognose haben. Ziel der Studie war zu prüfen, ob die Messung der INR als Parameter der OAK mit einem Handgerät (HK) unter Notfallbedingungen Vorteile gegenüber einer „klassischen“ Messung der INR über ein Zentrallabor (ZL) hat.

Methoden:Über einen Zeitraum von 9 Monaten wurde bei allen Notfallpatienten mit bekannter oder vermuteter OAK-Einnahme in unserer Notfallambulanz eine sofortige INR-Messung mittels HK durchgeführt und gleichzeitig ein Citratröhrchen an das ZL verschickt. Das ZL wurde über die Notfallindikation unterrichtet. Präzision und Zeitgewinn des HK wurden anschließend mit den Daten des ZL verglichen. Patienten mit OAK-induziertem HS wurden mit Prothrombinkomplexpräparaten (PPSB) schrittweise antagonisiert, wobei nach 500–1000 I.E. eine erneute INR-Kontrolle erfolgte.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 80 Notfallpatienten eingeschlossen (Alter: 28–95 Jahre; Median: 78 Jahre; 43Männer, 37 Frauen) und 105 INR-Messdatensätze erhoben. Bei 28 Patienten wurde die Diagnose eines IS gestellt, bei 6 dieser Patienten wurde eine Thrombolyse durchgeführt. Bei 18 Patienten lag eine OAK-assoziierter HS vor, von diesen wurden 14 mit PPSB behandelt. Der mittlere relative Fehler (RF) als Ausdruck der Präzision aller Messungen des Handgerätes lag bei 4,6% (Range (R): -18,73/+32,74, SD: 9,49). Bei den lysierten Patienten lagen der RF bei 6,86% (R: -1,96/+14,75; SD: 7,35) und der mittlere Zeitgewinn des HK gegenüber dem ZL bei 38,8 Minuten (R: 20/55; SD: 12,2). Bei den HS Patienten lagen der mittlere RF bei 4,4% (R: -18,73/+32,74, SD: 10,85), der mittlere Zeitgewinn bei 35,42 Minuten (R: 1/118, SD: 21,61). Zur Normalisierung der INR waren bei 2 Patienten dreimalige PPSB-Gaben nötig, der kumulative Zeitgewinn summierte sich hier auf 106,3 Minuten.

Schlussfolgerungen: Handkoagulometer sind in der Notfalldiagnostik bei OAK-Schlaganfallpatienten ausreichend zuverlässig und präzise. Die sofortige Verfügbarkeit der Messwerte verkürzt das Intervall bis zum Lysebeginn bei IS. Außerdem beschleunigen wiederholte Messung mittels HK die Antagonisierung bei OAK-assoziierten HS und rationalisieren die PPSB-Dosierung.