Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P736
DOI: 10.1055/s-0028-1086990

Prolongierte Hypoglykämie nach basilärer Embolie: seltene Komplikation endokriner Störungen nach hypothalmischem Insult

H Kazarians 1, K Selig 1, J Braun 1, C Arning 1
  • 1Hamburg

Eine 59-jährige, wegen AV-Knoten Reentry-Tachykardien primär kardiologisch behandelte Patientin wurde am Morgen des zweiten stationären Behandlungstages soporös mit einem Blutglucosespiegel von 29mg/dl aufgefunden. Sie blieb trotz sofortigem intravenösem Ausgleich der Hypoglykämie bewusstseinsgestört. Neurologisch fanden sich eine Ansiokorie und eine spastische Tetraparese, so dass der differentialdiagnostische Verdacht eines Hirnstamminsults bestand. Nachdem in der zerebralen Computertomographie (CT) und CT-Angiographie eine Blutung bzw. eine Basilaristhrombose ausgeschlossen werden konnten, zeigte die zerebrale Kernspintomographie bilaterale Infarkte in Thalamus und Hypothalamus. Anfangs wegen protrahierter Hypoglykämietendenz fortgesetzte parenterale Glukosegaben konnten im Verlauf bei stabilem, normwertigem Blutglukosespiegel beendet werden, die Tetraparese bildete sich inkomplett zurück.

Die Kasusitik zeigt die seltene und differentialdiagnostisch schwierige akute Koinzidenz zweier für eine Bewusstseinsstörung möglicher Ätiologien – Hypoglykämie und basiläre Embolie mit bithalamischen Insulten.

Da das bildmorphologische Muster nicht dem einer hypoglykämieinduzierten diffusen neokortikalen Schädigung entspricht [1], ist umgekehrt ursächlich für die Hypoglykämie eine Störung zentraler endokriner Regelkreise als Folge der nachgewiesenen hypothalamischen Infarzierung wahrscheinlich. So regulieren Rezeptoren für den Corticotropin Releasing Faktor (CRF1-Rezeptoren) im ventromedialen Hypothalamus die hypoglykämieinduzierte hormonale Gegenregulation unter anderem über Induktion der Glukagonausschüttung [2]. Eine Infarzierung dieser Areale setzt diesen Regelkreis außer Kraft, wie z.B. bei fehlender nächtlicher Nahrungsaufnahme im vorliegenden Fall. Differentialdiagnostische Hinweise für eine medikamentöse, toxische, akzidentelle oder peripher-endokrine Ursache der prolongierten Hypoglykämie fanden sich nicht.

Die Kasuistik unterstreicht die Bedeutung früh auftretender zentral-endokriner Störungen des Glukosestoffwechsels bei basilären bzw. thalamisch-hypothalamischen Infarzierungen, deren Therapie auch für die Gesamtprognose des neurologischen Defizits entscheidend ist.

Literatur: [1] Fujioka M. et al. Specific Changes in Human Brain after Hypoglycemic Injury. Stroke 1997; 28: 584–87. [2] Cheng H et al. CRF1- Receptors in the Ventromedial Thalamus Promote Hypoglycemia-Induced Hormonal Counterregulation Am J Physiol Endocrinol Metab. 2007 Sep; 293(3).