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DOI: 10.1055/s-0028-1086986
Alternativpsychose als Komplikation einer „therapieresistenten“ Temporallappen-Epilepsie?
Hintergrund: Die Prävalenz psychotischer Störungen bei Epilepsiepatienten liegt zwischen 2% und 7%. Die Alternativpsychose tritt gehäuft bei Temporallappenepilepsien nach plötzlicher Anfallsfreiheit auf, zeigt ein polymorphes psychopathologisches Bild und geht mit einer Normalisierung des EEG einher.
Kasuistik: Wir berichten über einen 35-jährigen Asyslbewerber, der seit Kindheit an einer als „therapieresistent“ eingestuften Epilepsie leidet. Aufgrund von Anfallssemiologie, EEG- und MRT-Befunden wurde diese als Temporallappenepilepsie klassifiziert. Bei eigenanamnestischer Angabe sehr häufiger Anfälle unter diversen Antikonvulsiva erfolgten durch verschiedene Behandler immer wieder Wechsel der Therapiestrategien. Zuletzt kam es unter einer Therapie mit 2000mg Valproat/die und 800mg Topiramat/die zu einem Grand-Mal-Anfall und anschließendem komplex-fokalem Anfallsstatus, der zur Aufnahme auf eine neurologische Intensivstation führte. Unter Gabe von Benzodiazepinen, weiterer Gabe von 800mg TPM und Steigerung des VPA auf 2500mg/die kam es zum Sistieren des Status und einer Normalisierung des EEG. Nach Extubation imponierte nun ein hochflorides psychotisches Bild, welches zur Verlegung auf eine allgemeinpsychiatrische Intensivstation führte. Erst nach Reduktion der Antikonvulsiva und kurzzeitiger antipsychotischer Therapie erfolgte innerhalb von 2 Wochen eine komplette Remission der Psychose. Unter reduzierter antikonvulsiver Therapie (2000mg VPA, 400mg TPM) blieb der Patient dann zudem über mindestens 8 Wochen anfallsfrei.
Diskussion: Aufgrund der Sprachbarriere, der sozialen Situation (geduldeter Asylbewerber, wobei die Duldung durch die Epilepsie begründet war) ist die „Therapieresistenz“ der Epilepsie stark anzuzweifeln. Da der Patient wusste, dass bei Besserung der Anfallserkrankung eine Abschiebung drohte, hat er vermutlich seine Medikation nicht regelmäßig eingenommen – was Spiegelkontrollen im Vorfeld vermuten lassen. Durch die hochdosierte Therapie des akuten Anfallsstatus – bei fehlender Kenntnis um die Noncompliance – ist es zu einer forcierten Normalisierung und Auftreten der Alternativpsychose gekommen. Nach Reduktion der Medikation und überwachter Einnahme gelang nicht nur eine Remission der Psychose, sondern auch eine effektive Behandlung der Epilepsie. Es ist zu diskutieren, ob unter gut überwachter ambulanter Therapie und sicherer Compliance der Anfallsstatus und die Komplikation der Alternativpsychose vermeidbar gewesen wären.