Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P695
DOI: 10.1055/s-0028-1086949

Perspektivenübernahmefähigkeit, Störung der Exekutivfunktionen und Theory-of-Mind bei Patienten mit einem multimodalen Neglectsyndrom

V Völzke 1, N Hong 1, M Breukel 1, G Janikowski 1, L Wischnjak 1, A Turek 1, J Reil 1, W Greulich 1, I Daum 1
  • 1Hattingen, Bochum

Das multimodale Neglectsyndrom bestimmt die Rehabilitation in erheblichem Maße. Die massive Vernachlässigungssymptomatik und die oft stabilen Awarenessdefzite bedingen eine ungünstige Gesamtprognose. Hinzu kommen Verhaltensauffälligkeiten, die den Umgang mit den Patienten für professionelle Helfer und Angehörige erheblich erschweren. Ein Teil der Interaktionsproblematik kann, so unsere Hypothese, auch durch ein Defizit im Bereich der Perspektivenübernahmefähigkeit oder „Theory-of-Mind“ (ToM) bedingt sein. Für verschiedene Patientengruppen liegen Daten zur ToM-Problematik vor. Hinsichtlich der ToM-Problematik bei Neglectpatienten fehlen bisher Daten.

In unser prospektiven Studie an 10 Patienten mit einem peripersonalen Neglectsyndrom (BIT-Diagnose) und einer Kontrollgruppe von 159 Gesunden zeigten sich im Gruppenvergleich signifikante Unterschiede im Bereich der Perspektivenübernahme (ToM). Die Neglect-Patienten waren signifikant schlechter in der Lage, sich in die verbal vorgegebene Situation (modifizierte Interpersonal-Negotiation-Strategies-Skala) hineinzuversetzen und sinnvolle Problemlösestrategien zu entwickeln. Insbesondere bei Problemkonstellationen, die im privaten Bereich angesiedelt waren, zeigten sich Defizite.

Die therapeutischen Interventionen aller Berufsgruppen und die Beratung der Angehörigen sollten daher auch diesen bisher vernachlässigten Aspekt des multimodalen Neglectsyndroms berücksichtigen.